Unter der Überschrift "Gesund-Führen-Trainer/innen-Porträts" werden ausgewählte Profis vorgestellt, die die Train-the-Trainer-Fortbildung von "do care!" erfolgreich durchlaufen haben. Heute: Christiane Fruht von "Fruht Klinikberatung" in München. - Mit 2 Kurz-Videos
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Seit wann bist Du Gesund-Führen-Trainerin, und was hat Dich dazu bewogen, die Trainer/innen-Fortbildung anzugehen?
- Ich bin seit 6 Jahren Trainerin für „Gesund Führen“. Mich hat damals bewogen, dass ich vorher schon jahrelang mit Führungskräften gearbeitet habe und mir die Antwort fehlte, wie ich „Gesundes Führen“ definiere. Die Schwarz-auf-Weiß-Antwort, dass das wirklich gut ist fürs Team und fürs Unternehmen. Natürlich wusste ich aus dem Bauch heraus, dass alles, was ich vermittle, z.B. wertschätzendes Verhalten und lösungsorientiertes Führen nützlich ist, aber ich konnte es nicht belegen.Hinzu kommt der Schwerpunkt meiner Arbeit in Kliniken: Dort gibt es ein immens großes Thema mit Fehlzeiten, Krankheit, Abwesenheit und Frustration. Auch zu diesem Bereich habe ich mir auch Antworten erhofft in der Ausbildung „Gesund Führen“.
- Und hast Du die gefunden?
- Selbstverständlich! Ich habe mehr gefunden, als ich jemals zu hoffen gewagt habe. Es gibt dieses Bild „Führen durch die Brille: Gesundheit“. Genau das ist der Schlüssel. Zum Thema Führungstechniken kam für mich nicht viel Neues dazu, aber ich fühlte mich mehr als bestärkt, in dem was ich bis dahin gelehrt habe. Noch viel wichtiger: du hast viele Statistiken zusammengetragen, dazu Zitate und Quellen, die auch den rationalsten Klinikbetreiber davon überzeugen, dass Gesundheit, Fehlzeiten, Führungs- und Unternehmenskultur ein wichtiges und vor allem zusammenhängendes Thema sind.Dieser Fundus an Daten, den wir in einer Großzügigkeit bekommen haben, ist phantastisch. Das hat mich wirklich damals total fasziniert, dass wir so viel Material zur Verfügung gestellt bekommen haben. Hätte ich alles selbst recherchieren müssen, hätte mich das Monate gekostet.Wenn ich diese Faktenlage heute benutze, sind alle Einwände und Bedenken von Entscheidern und Führungskräften widerlegt. Diese Argumente, leidenschaftlich illustriert vorgetragen, überzeugen jeden Persönlichkeitstyp.Alle meine Fragen zu „Gesund führen“ sind ausführlich beantwortet worden, noch bevor ich sie gestellt hatte.
- Für die aktuell Trainer-Ausbildung habe ich diese Studien natürlich noch einmal aktualisiert.
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Welchen Seminar-Baustein magst Du am liebsten?
Klingt jetzt komisch, ist aber so: Dieser erste Part, wie Führung und Anwesenheit zusammenhängen, den kann man auch für sich stehen lassen. Mit diesen Zahlen, Daten Fakten, und warum haben alle „Rücken“, die sich überlastet fühlen. Diesen Baustein lasse ich in fast jedes Führungskräfte-Training einfließen, weil ich daran Spaß habe. Nicht weil so hörig für Statistiken bin, sondern weil man so Schwarz auf Weiß zeigen kann, wie wichtig gutes Führen ist. Das liebe ich besonders.
Das Thema Selbstfürsorge kennt man eigentlich aus fast jeder Frauenzeitschrift, aber wenn ich darüber rede, ist eine große Betroffenheit im Raum. Das nehme ich oft als Einzelbaustein raus.
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- Auch den Baustein „Selbstreflexion: Führen im Stress“ finde ich sehr wichtig. Was passiert denn mit mir selbst, wenn ich im Stress bin? Wenn die Führungskräfte sich bewusst machen, dass sie damit eine Welle im Team auslösen und das Klima bestimmen werden sie meist sehr nachdenklich.
- Mein 4. Lieblingsbaustein: die Praxisfälle. Durch sie wird offensichtlich, was passiert, wenn Führungskräfte achtlos mit ihren Mitarbeitern umgehen. Durch die Fallbeispiele liegt auf der Hand, wie der Mitarbeiter langfristig reagieren wird, nämlich demotiviert oder sogar mit Abwesenheit. Die Praxisfälle liebe ich sehr. Die kann man immer mal einstreuen. Die sind entlastend für den Trainer und super nützlich für die Teilnehmer.
Ich bin damals aus dem Training gegangen mit vielen Informationen, das ist Wahnsinn. Ich empfehle die Bücher auch sehr oft. So praxisrelevant. So praxisnah. Für die Orientierung ist das sinnvoll.-
Welches ist Deine bevorzugte Branche? Was ist das Besondere bei den Führungskräften in diesem Bereich?
Klinikberatung ist mein Schwerpunkt, weil ich früher selbst 16 Jahre Krankenschwester war. Ob den schwierigen Umständen dort bin ich auch manchmal ein bisschen frustriert und will mich neu orientieren. Aber ich merke dann doch, mein Herz hängt daran. Mir ist wichtig, dass es den Leuten dort gut geht.
Mein zweiter Schwerpunkt sind Verlage, wo ich auch feste Führungskräfte-Entwicklungsprogramme habe und häufig über das Thema Gesund-Führen rede. Denen geht es ähnlich. Aber in Krankenhäusern ist das Thema Anwesenheit noch relevanter. Ganz aktuell.
Noch vor 2 Jahren war es tabu, Betten und Stationen zu sperren – das ist heute gang und gäbe. Weil zu wenig Personal da ist, und wenn es da ist, ist es oft erschöpft.
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- Ich sage den Führungskräften immer: „50% der Abwesenheiten sind führungs- und team-geschuldet.“ Und die Leute sagen dann: „Mindestens!“. Obwohl das so eine mutige Aussage ist, sagen die „Mindestens!“ Das ist wirklich relevant.
- Die Führungskräfte in Kliniken stehen extrem unter Druck. Die Station muss weiterlaufen, die Operationen müssen durchgeführt werden, die Notaufnahme muss laufen, egal wie wenig Personal da ist. Die Führungskräfte legen teilweise aus Überforderung destruktives Verhalten an den Tag. Sobald ich ihnen das spiegele, sind sie ganz betroffen und möchten das nicht. Sie sind unserem angespannten Gesundheitssystem ausgeliefert, quasi darin gefangen. Sie müssen den Schlamassel ausbaten.Die Ansätze von „Gesund führen“ vermitteln sich leicht im Seminarraum. Wenn man mal auf einer Intensivstation war oder mal eine halbe Stunde im Büro eines Pflegedirektors gesessen hat, würde man sagen: Oh Gott! Das ist Wahnsinn! Und da dann noch alle Aspekte von Gesund-Führen richtig abzudecken, das verlangt viel. Das muss bewusst eingeführt werden. Es ist eine persönliche Entscheidung der Führungskraft, sich nicht von Druck und Stress leiten zu lassen.
- Und schaffst Du das?
- Ich nutze Elemente aus dem Gesund-Führen-Training in Kombination mit Übungen aus dem Improvisationstheater.Dadurch gelingt es mir, Wissenshappen leicht verdaubar zu präsentieren. So plakativ, dass meine Teilnehmer es nicht mehr vergessen. Die entstehenden Szenen sind lustig, leicht und gleichzeitig einleuchtend was schief läuft. Mittels Storytelling würze ich noch ein wenig nach, um im Bild zu bleiben. Mir gelingt es gut, emotional zu bewegen. Emotionen sind der Motor für Veränderung.
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Was war Deine schönste Erfahrung in einem Gesund-Führen-Seminar? Ggf. auch: und was war die schlimmste – was hast Du daraus gelernt?
Die Schönste gab es öfter: Wenn nach einem Führungskräfte-Training ein Unternehmen entscheidet: Wir gehen das jetzt an, und wir stellen das systematisch auf. Letztlich braucht es das: Dass sich das Unternehmen dafür bewusst entscheidet, dann funktioniert der Ansatz auch. Für mich die schönsten Erlebnisse.
Wenn das in Abteilungen umgesetzt wird, tut sich extrem viel. Führungskräfte, die diese Dinge machen, weil es ihnen ein Anliegen ist: Da sind wenig Leute krank, da kommen Bewerbungen von außen, und die Leute wollen genau auf diese Station. Da hängt es genau an diesen Führungskräften. Manche sagen dann „Meine Mutter hat mir oft gesagt: ‚Heb nicht ab‘ … “ – und das funktioniert, und am Ende ist es Gesund Führen.
Und die schlimmste Erfahrung? Ich hatte mal ein Training mit Pflegedirektoren. Das Thema war von mir vielleicht ein bisschen ungünstig gewählt: „Gesund Führen im Umgang mit Personalengpässen“. Die hatten sich vermutlich eine schnelle technische Lösung erhofft, die es nicht gibt. Sie waren dann zum Teil unzufrieden. Dazu war es Freitagmittag. Manche gingen einfach, was ich auch keine feine Art finde. Ich dachte dann: Unter dem Titel biete ich das nicht nochmal an, denn vielleicht wecke ich falsche Erwartungen für schnelle Umgestaltungslösungen, die es einfach nicht gibt.
Selbstverständlich hatte ich auch Sofort-Maßnahmen parat, z.B. Systeme, um Mitarbeiter nicht kreuz und quer in der Klinik einspringen zu lassen, Willkommensgespräche, In-Kontakt-Bleiben während der Abwesenheit, Standards für die Krankmeldung. Das war aber nicht, was die hören wollten. Das Training habe ich ungut in Erinnerung.
PS: Dazu gibt es auch einen Waschzettel:
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Welche Voraussetzungen müssen Deiner Meinung nach gegeben sein, damit ein Gesund-Führen-Seminar erfolgreich ist?
Eine Offenheit des ganzen Systems, Klinikgeschäftsführer, Betriebsrat, Pflegedirektor, alle müssen zustimmen, dass Thema jetzt aktiv anzugehen. Dann muss das mittlere Management den richtigen Weg für sich finden; auch wie sie aktiv mit dem Thema Ab- und Anwesenheit umgehen und was sie für ihre Mitarbeiter tun.
Ich freue mich immer, wenn Führungskräfte die Prinzipien wirklich anwenden, dann funktioniert es nämlich.
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- Oft ist die Hürde jedoch groß, oder die Leute sind gehemmt. Sie können sich vermutlich nicht vorstellen, dass so einfache Maßnahmen relevant für die Motivation der Mitarbeiter sind. Wenn sie diese annehmen, klappt es.Den Waschzettel (siehe rechts) – das ist mein Newsletter zur Kundenpflege – speziell zum Thema An- und Abwesenheit benutze ich oft als Zusammenfassung.
- Die Resonanz nach dem Versand war groß. Daraufhin bin ich auch von ganz neuen Kunden gebucht worden.
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Warum bist Du die / der Richtige für Gesund-Führen-Seminare? Was ist das Besondere an Dir? Was sind Deine Stärken?
Natürlich bin ich besonders im Klinikbereich die Richtige, weil ich nix vom Pferd erzähle. Ich kenne aus 16 Jahren Praxis die Kliniken, den Alltag. Ich kann die ganz schnell abholen und unter Umständen auch Stolpersteine benennen.
Ich habe einen recht humorvollen Umgang mit den Themen; es ist nicht so staatstragend, als hätte ich die Weisheit mit Löffeln gefressen; das liegt mir fern. Eine wertschätzende Grundhaltung auf Augenhöhe mit den Teilnehmern. Jeder, der vor mir sitzt, macht einen guten Job, auf seine Art und Weise. Und vielleicht kann ich dem noch ein kleines Fünkchen zugeben, dass er ihn noch ein bisschen besser machen kann.
Meine Art von Leichtigkeit, das Spielerische, das Improtheater, der Humor kommen, wie ich immer wieder höre, ganz gut an. Ganz wichtig ist mir, dass diese Leichtigkeit mit Fakten gepaart ist. Also die kleinste Schlagzeile, die ich raushaue, kann ich wissenschaftlich belegen. Das ist mir wichtig, dass da auch geballtes Fachwissen dahintersteckt.
Du Anne bist da meine Hauptquelle, mit allem, was Du zusammenträgst. Den neusten AOK-Fehlzeiten-Report etc. Ich habe niemals so viel Zeit für den Umfang und die Qualität, in der Du das machst.
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Bist Du schon mal ins Trudeln geraten / Welche Seminar-Situationen hast Du als besonders herausfordernd erlebt, und wie hast Du sie gelöst?
Die vorhin geschilderte schwierige Situation: „Freitags um 1 macht jeder Seins“. Nach der Mittagspause hat die Hälfte gefehlt, das finde ich einfach nicht wertschätzend. Die Pflegedirektoren wollten eigentlich Wertschätzung in ihrer Klinik einführen und wundern sich, dass ihre Mitarbeiter nicht kommen. Sowas bringt mich persönlich ins Grübeln. Man kann über alles reden. Aber Nicht-Reden finde ich unmöglich.
In so einer Situationen muss man dann selbst reflektieren, lernen, Kritik sich selbst gegenüber üben. Aber man darf sich nicht langfristig runterziehen lassen.
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Wie bist Du damit umgegangen, wenn Du den Eindruck hattest, das Seminar soll eigentlich nur ein Pflaster sein?
Ich glaube, im Krankenhaus kann sich derzeit nicht so viel ändern, weil es zu wenig Personal gibt. Das heißt, aktuell könnte man durch das Pflegestärkungsgesetz Mitarbeiter einstellen, es gibt aber keine. Kurzfristig werden die Bedingungen sich nicht ändern. Deshalb fühle ich mich mit dem Thema „Gesund führen“ aber nicht missbraucht. Ich glaube trotzdem, dass ich den Führungskräften vor Ort helfen kann. Jeder, der mich bucht, hat die ernste Absicht, was zu ändern.
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Welche Tipps hast Du für angehende Gesund-Führen-Trainer/innen?
Machen, machen, machen. Egal mit welchem Hintergrund, mit welcher Vorerfahrung. Neben der Ausbildung, den Antworten auf fachliche Fragen sowie Methoden für die Moderation und nachhaltige Wissensvermittlung gibt es einen weiteren großartigen Benefit. Man wird in ein Netzwerk aufgenommen, das die Mission hat, die Kultur im Unternehmen zu verändern. Das wird überall gebraucht. Daher gibt es keinen Grund zu zögern sich für die Ausbildung anzumelden.-
Was tust Du für Deine eigene Gesundheit?
Yoga. Auszeiten, die sind kein Luxus. Rudern für den Kreislauf, wir haben jetzt ein Rudergerät. Man muss es sich einfach gut gehen lassen.
Da muss ich eine Anekdote erzählen: Zu der Zeit, kurz nach der Ausbildung, habe ich „Gesund führen“ an vielen Kliniken weitergegeben. Ich war extrem viel unterwegs, ein Piloten- und ein Zugführerstreik taten ihr übriges. Nach den Trainings musste ich teilweise noch 6 Stunden Auto fahren. Ich bin dann erschöpft in Düsseldorf in ein exklusives Hotel eingecheckt, wo ich am Freitag 21 Uhr noch eine Massage bekommen habe. Der Masseur fasst mich an und fragt: „Was ist denn mit Ihnen los?“ Ich war so entsetzt, denn ich selbst hatte diese Faszienverspannungen von denen ich immer redete und war total erschöpft. Ich war erschrocken, weil ich eigentlich sensibel dafür bin. Im Stress hatte ich die Warnsignale einfach übergangen, den Hinweis mich mehr um mich selbst kümmern zu müssen. Was wir predigen gilt auch für uns Trainer und Berater!
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Liebe Christiane, ganz herzlichen Dank für dieses spannende Interview!
Mehr über diese Interviewpartnerin:
Christiane Fruht
MA, Selbstständige Kommunikationstrainerin und -beraterin für medizinische Einrichtungen und Wirtschaftsunternehmen
Inhaberin von Fruht Klinikberatung in München.
Trainer-Profil von Christiane Fruht (pdf-Datei zum Downloaden)