Meine Beobachtung im Rahmen von Fehlzeiten-Beratungen: "Da traut sich jemand nicht an die Führungskräfte heran!" Dieser Blog-Beitrag liefert Lösungen und Mut-Macher für Personaler/innen.
Das folgende Fallbeispiel ist typisch für den Umgang mit Fehlzeiten – zumindest solange das Thema seitens des Top-Managements nicht aktiv forciert wird, sondern Leistungen von externen Profis eingekauft werden, die die Anwesenheitsquote verbessern sollen.
Sich an die Führungskräfte herantrauen? Fehlanzeige …
Die Ausgangslage sieht so aus: Man traut sich nicht.
Gerade gestern erst wieder im Rahmen einer Fehlzeiten-Beratung: Ein externer Profi berät ein Unternehmen mit zahlreichen Niederlassungen zum Thema Krankenstand. Der Vorstand hat es gewollt, der Betriebsrat ist zögernd mitgegangen, es wurde ein Katalog mit 8 Maßnahmen verfasst, und 4 davon wurden tatsächlich angegangen. Alle auf der Verhaltensebene bzw. die Büro-Ausstattung betreffend. Gesundheitsförderung leicht gemacht.
Erfolg in Sachen Anwesenheitsquote: Null.
Der externe Profi fürchtet nun berechtigterweise, dass sein Image unter diesem ausbleibenden Erfolg Schaden nehmen könnte. Schließlich hat der ganze Spaß auf der Verhaltensebene eine Menge Geld gekostet. Wenn diese Investition nun außer Beifall nichts gebracht hat, dann fällt das auf den Berater zurück. Als er mir die Situation schildert und mich seinereits um ein Coaching für diesen Fall bittet, wird schnell ein klassisches Problem der Fehlzeiten-Beratung deutlich:
Sich an die Führungskräfte heranzutrauen, scheint schwierig zu sein.
Ursache: Befürchtungen der Personaler/innen
aber auch z.B. Vertriebsentwicklungsleitungen, Arbeitsschützern etc.. Diese Personengruppen müssen bei allen Vorschlägen stets auch ihr Ansehen im Haus im Blick haben. Sie bemühen sich um Akzeptanz und füchten, diese könnte sinken, wenn die Forderungen aus ihrer Sicht “ans Eingemachte” gehen. Das klingt dann etwa so:
“Wenn wir den Führungskräften noch mehr zumuten, machen wir uns unbeliebt.”
Diese Befürchtung wird selten so ausgesprochen. Sie versteckt sich hinter abwehrenden Aussagen wie:
- Den Führungskräften wird immer mehr zugemutet.
- Die Führungskräfte können nicht auf der einen Seite die „Beziehung“ zum Mitarbeiter pflegen und auf der anderen Seite Leistung einfordern.
Mit diesen Äußerungen wird begründet, dass man bei den Maßnahmen eben nicht “ans Eingemachte” geht (Personalerinnen-Zitat), sondern sich quasi “nur um die Deko kümmert”: Das Drumherum am Arbeitsplatz wird wertschätzend gestaltet. Das ist sicher wichtig.
Aber Fehlzeiten haben nun einmal nicht nur mit höhenverstellbaren Schreibtischen und Obstkörben zu tun.
Entkräftung der Befürchtungen
Der 2. Einwand lässt sich meines Erachtens sehr leicht entkräften: Doch. Genau das können und sollen Führungskräfte: Die Beziehung pflegen UND Leistung fordern. Die Beziehungsaufgabe UND die Fachaufgabe wahrnehmen. Denn beides gehört zu ihrer Führungsaufgabe, sagt Professor Nieder, Deutschlands Fehlzeiten-Papst.
Die Beziehungsaufgabe lässt sich nicht delegieren.
Auch wenn Führungskräfte das noch so gern hätten … Da müssen selber ran. Positiv ausgedrückt: Führungskräfte können viel tun für echte Anwesenheit und Produktivität. Bös zugespitzt kann man sagen:
“Die Beziehungsaufgabe ist Mittel zum Zweck, damit die Sachaufgabe umso besser gelingt.”
Man kann eben mehr fordern, wenn die Beziehung stimmt.
Zum Beispiel Kritikgespräche gelingen leichter, weil man nicht befürchten muss, dass der Mitarbeiter beleidigt reagiert oder die Mitarbeiterin motzt – wenn Mitarbeitende sich gemocht fühlen und man “auch so” mal miteinander spricht, lassen sich Missverständnisse leichter klären. Der Umgang wird entkrampfter.
Woran Führungskräfte scheitern: Am Nicht-Miteinander-Sprechen.
Eine Untersuchung von ca. 2600 Menschen in der Schweiz hat ergeben, dass sogar die Führungskräfte selbst es so einschätzen, dass fehlende Kommunikation der Hauptgrund für das Scheitern von Führungskräften ist. Ursache für das Scheitern ist also die Beziehungsaufgabe, nicht die Fachaufgabe.
Quelle:
http://ideetransfer.ch/wp-content/uploads/2016/06/Studie_Schweiz-fuehrt.pdf (abgerufen am 05.11.2019)
Die Beziehungsaufgabe wahrnehmen, das geht. Und zwar ohne, dass Führungskräfte dazu Extraschichten einlegen müssten.
Denn zum 1. Einwand lässt sich sagen: Mit Mitarbeitenden sprechen, auch über Wohlbefinden, Anwesenheit, Gesundheit und Fehlzeiten – das ist nun einmal Führungsaufgabe. Aber das “Zumuten” kann sich dabei durchaus in Grenzen halten. Dazu muss man sich halt an die Führungskräfte herantrauen. Damit die sich an die Gespräche mit den Mitarbeitenden herantrauen.
Lösungsideen: Unterstützung für die Profis
Die Problemlösung beim Thema Fehlzeiten liegt auf der Beziehungsebene: Führungskraft und Mitarbeiter/in müssen öfter miteinander sprechen. Denn:
“Ihre Fehlzeiten können Sie nur selber senken.”
Viele mir bekannte Personaler/innen denken dabei direkt an eine Schulung – fürchten aber wieder, den Führungskräften zu nahe zu rücken oder ihnen Zeit zu rauben, wenn sie sie für einen ganzen Tag aus dem Tagesgeschäft herausnehmen. Das Thema Fehlzeiten klingt zudem für viele von vornherein abschreckend.
Für die Beziehungsaufgabe gewinnen? Das muss schnell gehen, und es muss leicht daherkommen …
– zumindest als Einstieg. Um die Führungskräfte nicht abzuschrecken. Viele Führungskräfte brauchen einen Anlass, um mit Mitarbeitenden ins Gespräch zu gehen. Idealerweise können sie aus mehreren Kommunikationsmöglichkeiten auswählen.