BGM-Definition gesucht: Was ist BGM und wer darf Maßnahmen dazu anbieten? Himmel, wie sich die Leute darüber in die Haare kriegen können. Ich versuche es hier mit einer versöhnlichen Position - als Nicht-Betroffene darf ich das, denn ich verkaufe kein BGM, sondern nur Materialien an die Menschen darin.
Wer darf sich zum Thema BGM zu Wort melden?
Auf der BBGM-Fachtagung (Bundesverband Betriebliches Gesundheitsmanagement) im Juli 2014 in Berlin wurden Stimmen laut, viele Anbieter hätten zwar BGM im Namen, würden aber nicht wirklich BGM anbieten. In mehreren Gesprächen diskutierte ich daraufhin mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, wann man die Bezeichnung “BGM” verwenden dürfe – und ob sie exklusiv den wenigen Fällen vorbehalten sei, in denen der PDCA-Zyklus mehrfach komplett durchlaufen wird (und ob auch nur die entsprechenden Anbieter von BGM reden dürften).
Hier lesen Sie das Ergebnis dieser höchst wertschätzend und konstruktiv geführten Diskussionen – und meine persönliche Meinung dazu. Die gilt auch heute noch, im Frühjahr 2018, und ich bin heilfroh, dass ich keine BGM-Maßnahmen im Portfolio habe. Viel zu heiß, das Pflaster …
BGM-Definition: Der Management-Zyklus als heilige Kuh
Der PDCA-Zyklus (Plan – Do – Check – Act) als Begriff aus der Qualitätssicherung beschreibt ein strukturiertes Problemlöseverfahren, das auch im Betrieblichen Gesundheitsmanagement Anwendung findet. Das folgende Bild (übernommen aus Wikipedia) beschreibt den 4-phasigen Ablauf, der im Grunde unendlich ist – nach dem Check folgt der nächste Plan.
Lange Jahre verging kein Vortrag – auf welchem Kongress auch immer -, in dem dieser Ablauf nicht auftauchte. Dass man analysieren müsse, bevor man etwas tue, dass man planen müsse, ausprobieren, überprüfen, durchführen, evaluieren – das wurde mantramäßig wiederholt, bis es auch der Letzte begriffen hatte (und langsam nicht mehr hören konnte …); inzwischen nicht mehr ganz so häufig, zum Glück 😉 Die Leute haben ja Recht. Handeln ohne Plan ist Mumpitz. Planen ohne vorangegangene Analyse auch. Und was man tut, sollte man auch überprüfen. Und nachjustieren. Alles richtig. Ist das nicht “normal”? Meiner Meinung nach bildet das Qualitätssicherungsmodell primär das ab, was wir eh schon tun. Es ist eine Arbeitshilfe, anhand derer wir unser Handeln einordnen und strukturieren können. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
BGM ist ein Prozess und kein Projekt. Oder sogar nur eine Utopie?
Das ist wohl allen Anbietern klar. “Ein Apfel macht noch kein BGM” – so lautet ein beliebter Spruch, der auch auf dieser Tagung wieder fiel, und dem wohl jede/r zustimmen wird. Und: “Ohne GF bleibt’s GF” – der Spruch war mir neu, hat mich aber sofort überzeugt; er bedeutet: “Ohne Beteiligung der Geschäftsleitung bleibt das, was man tut, Gesundheitsförderung (und so lange ist es eben kein Gesundheitsmanagement)”. Der Prozess ist nie zu Ende. BGM ist immer auch Organisationsentwicklung. Das gesamte System Betrieb verwandelt sich – weil es eben nicht um Einzelmaßnahmen geht. Und um zeitliche Beschränkung erst recht nicht. BGM ist eben kein Projekt, das irgendwann ein Ende hätte. Es ist ein Prozess mit einem Ziel – auch wenn das Ziel für manche Organisation vielleicht Utopie-Charakter hat. Betriebliches Gesundheitsmanagement stellt so manches im Unternehmen auf den Kopf. “Wir müssen die Mündigkeit stärken”, wurde als Forderung im Open-Space-Forum “Führung und Gesundheit” geäußert. Wenn Führungskräfte wie Mitarbeitende von der Geschäftsleitung die Erlaubnis erhalten, auch mal Nein zu sagen und Grenzen zu setzen, wird sich einiges im Betrieb verändern – im Sinne der Arbeitsfähigkeit und Gesundheit aller. Mir persönlich schoss dabei durch den Kopf: So viele Kapazitäten habe ich gar nicht, mehrere Unternehmen von vorn bis hinten im Prozess zu begleiten. Und ohnehin liegt mir die inhaltliche Arbeit viel mehr als die strukturelle. Organisationsentwicklung ist nur indirekt meine Baustelle – das können andere viel besser. Und so geht es meiner Erfahrung nach vielen Anbietern; auch auf der Fachtagung wurde das in mehreren Gesprächen geäußert.
Wer gehört zum Club? VERSUS: Jeder trägt seinen Teil dazu bei
Das mag man naiv finden, aber meiner Meinung nach dürfen auch diejenigen den Ausdruck BGM im Munde führen, die nur an Teil-Prozessen des Management-Zyklus beteiligt sind. Derjenige, der die Mitarbeiterbefragung durchführt, genauso wie derjenige, der Resilienz-Seminare leitet oder Gesundheitszirkel moderiert. Und derjenige, der sich um das Auffüllen der Apfel-Körbe und die Bereitstellung von Jodsalz kümmert, arbeitet auch mit am Ganzen. Er macht natürlich kein BGM im großen ganzheitlichen Sinne – aber er trägt seinen Teil zum ganzheitlichen Gesamt-Prozess bei. Auch der Apfel-Korb-Hinsteller gibt das Signal: “Wir kümmern uns um euer Wohlbefinden” – ganz bescheiden, aber auch der gehört dazu. Meiner Meinung nach. Ist der Ausdruck exklusiv? Wenn es heißt “nur die Psychologen”, “nur die Zertifizierten”, “nur die mit dem Ausbildungssiegel XY” behindert BGM sich selbst. Diversity – als ein Ziel von BGM-Prozessen – beginnt bei der Akzeptanz (und nicht nur Toleranz) von Anbietern der unterschiedlichsten Couleur. Statt mit Ausgrenzung zu arbeiten, plädiere ich für Integration – die ich übrigens auf der Fachtagung auch erlebt habe, wunderbarerweise!
Meine persönliche Meinung: Der Markt ist groß genug für uns alle!
Ich habe mich auf der Tagung sehr gut aufgehoben gefühlt – gerade aufgrund der ungeheuren Vielfalt der Angebote und Anbieter. Meiner Meinung nach ist der Markt groß genug für uns alle. Ich weiß, diesen Spruch von mir haben Sie schon öfter gehört oder gelesen – aber insbesondere wo ängstlich auf Exclusivität gepocht wird, wo Club-Zugehörigkeiten zur Abschottung gegen andere führen (“Sonst fehlt ja die Qualität”), kann dieser Satz nicht oft genug wiederholt werden. Es ist wichtig (und dient unserer Seriosität), dass es Menschen gibt, die auf die Qualität und die Einhaltung des Management-Zyklus achten. Wenn es uns aber wirklich um die Sache geht – nämlich die Schaffung von mehr Gesundheit im Betrieb -, dann ist es auch wichtig zu würdigen, dass wir unmöglich alle den gesamten Prozess in einem Unternehmen begleiten können. Dass stattdessen jeder Anbieter an seinem Platz an diesem Prozess mitarbeitet, sollten wir schätzen. Unter Gottes weitem Himmel bleibt viel Platz für alle …
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