Destruktive Führung ("zerstörerische" Führung) untergräbt nicht nur die Unternehmensziele, sondern auch die Menschenwürde. In diesem Beitrag stelle ich Beispiele vor.
Mein Hintergrund für diesen Beitrag:
Jeder 10. Beschäftigte leidet regelmäßig unter destruktivem Führungsverhalten – so zu lesen in dem unten verlinkten Artikel von Professor Frank Walter von der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Walter definiert destruktive Führung als feindselig-aggressives Verhalten und beschreibt das Dreieck möglicher Ursachen (Führungskraft, Geführte, begünstigende Umwelt). Er diskutiert die Frage, ob destruktives Führungsverhalten womöglich absichtlich eingesetzt wird, um zu motivieren. Es gibt allerdings keine Hinweise, dass diese Wirkung tatsächlich erreicht würde – stattdessen hat destruktive Führung negative Konsequenzen für den einzelnen Betroffenen und für die Zielerreichung der Führungskraft; meiner persönlichen Meinung nach dürfte erschwerend hinzukommen, dass das Betriebsklima leidet und vermutlich auch die Teamleistung. Walter leitet aus dem Gesagten Handlungsempfehlungen für das Personalmanagement ab für 1. Personalauswahl, 2. Führungskräfte-Entwicklung, 3. die Gestaltung des Arbeitskontexts und 4. eine Null-Toleranz-Politik.
Diesen Artikel nehme ich zum Anlass, das Thema “krank-machendes Führungsverhalten” aus psychologischer Sicht zu beleuchten. Dabei greife ich zurück auf mein Buch Wenn der Chef krank macht – den Link zum Artikel von Prof. Walter finden Sie am Ende dieses Beitrags.
Destruktive Führung: Konkrete Beispiele
Was ist es genau, das krank macht? Häufig wird es als kränkend empfunden, wenn Führungskräfte die grundlegendsten Umgangsformen missachten: Sie kommen zu spät, sie grüßen nicht, sie informieren unvollständig, sie kennen zum Teil die Leute nicht einmal mit Namen. Das ist oft keine böse Absicht, sondern schuld ist der Stress des Vorgesetzten. Er steht selbst so unter Druck, dass seine Mitarbeiter für ihn zur Nummer werden. Er nimmt sich keine Zeit mehr, sie als Mensch wahrzunehmen.
Wenn er schon weiß, er wird den aktuellen Chefposten ohnehin nur zwei Jahre oder bis zur nächsten Umstrukturierung innehaben, ist diese Haltung verständlich, aber natürlich nicht entschuldbar. Es rächt sich auch für ihn: Wenn Menschen sich nicht als Person wertgeschätzt fühlen, leiden die Motivation und die Gesundheit. Beides bekommt der Chef zu spüren. Wer kündigt, tut das selten wegen des Gehalts oder der Arbeitsbelastung, sondern wegen einer gestörten Beziehung zum Vorgesetzten.
Stress, Angst und Unsicherheit
Natürlich gibt es auch Chefs, die aktiv mobben, weil sie sich durch aufstrebende ehrgeizige Mitarbeiter in Frage gestellt sehen und bedroht fühlen, aber die Regel sind die unbedarften Chefs, die selber im Stress sind. Sein Stress und seine schlechte Laune können die Mitarbeiter anstecken. Gleiches gilt für seine Unsicherheit. Sie ist wie ein Virus, springt von einem zum nächsten und steckt diesen ebenfalls an. Ein unsicherer Chef trägt mit seinem Pokerface seine Unsicherheit ins Team.
Wer ständig im Unklaren gelassen wird über seine Aufgaben oder über die Qualität seiner Leistung, der reagiert mit Anspannung und mit Verunsicherung. Auch intransparentes Führungsverhalten (keine Vorgaben, kein Zielkorridor, Fähnchen im Wind, ständig wechselnde Meinungen) kann also krank machen. Ungleichbehandlung birgt ebenfalls ein starkes Kränkungspotenzial, ebenso exzessive Kontrolle und Zeitdruck-Machen.
(c) Dr. Anne Katrin Matyssek
Checkliste “Krank-machende Führung”
Wie die bildliche Übersicht nahelegt, liegt die Ursache für krankmachendes Führungsverhalten häufig in mangelnder Selbstfürsorge und fehlender (Selbst-)Wertschätzung des Chefs. Wenn Sie das lesen, müssen Sie vielleicht laut lachen, weil Sie finden, Ihr Chef liebe sich mehr als alle anderen – gerade darum sei er ja so ein Ekel. In der Praxis zeigt sich aber: Wer mit sich selbst nett umgeht, geht auch mit anderen nett um. Und umgekehrt. Daher zahlt sich ein Wertschätzungsvorschuss oft aus.
Wer sich selbst schlecht behandelt,
behandelt auch andere schlecht.
Das gilt für Führungskräfte ebenso wie für Mitarbeitende.
Die folgende Liste zeigt eine (willkürliche) Auswahl von potenziell krankmachenden Führungsverhaltensweisen. Wenn Sie mehr als 8 mal innerlich nicken, weil Ihre Führungskraft diese Verhaltensweise zeigt, ist Ihr Chef schon ziemlich arg … (aber solche Punkte-Auswertungen sind eine höchst subjektive Chose).
1 Wertschätzungsdefizite / Anerkennungsgeiz
- deutlich seltener loben als kritisieren
- aktives Suchen von Fehlern (Aufmerksamkeitsfokus auf Fehlern)
- Mitarbeiterideen als eigene verkaufen
- destruktiv kritisieren (persönlich werden, beleidigen)
- vor anderen herunterputzen oder lächerlich machen
2 fehlendes Interesse / mangelnde Aufmerksamkeit
- Namen nicht kennen
- nicht grüßen
- Informationen ungleich verteilen
- keine Kontakte in / nach Krankheiten pflegen
- einzelnen Mitarbeitern deutlich mehr Zeit widmen als anderen
3 defizitäres Kommunikationsverhalten
- engmaschige Kontrollen durchführen
- unerreichbar / unsichtbar sein
- Informationen vorenthalten
- delegierte Aufträge wieder an sich reißen
- mit Misstrauen führen
4 Undurchschaubarkeit
- oft wechselnde Vorgaben / willkürliche Entscheidungen treffen
- Pokerface aufsetzen (mangelnder emotionaler Ausdruck)
- Stimmungsschwankungen an Mitarbeitenden auslassen
- Mitarbeitende ohne klare Vorgaben allein lassen
- rückgratlos sein (Fähnchen im Wind)
5 Betriebsklima-Vermieser
- Lieblinge haben
- herumbrüllen, ausrasten, cholerisch sein
- heimlich destruktive Akte tätigen (faules Obst ins Fach legen etc.)
- lästern
- Schwätzchen verbieten
6 Belastungserhöhung / Ressourcenraub
- Unterstützung versagen
- Entscheidungsspielräume beschneiden
- enge Zeitvorgaben machen
- Mitarbeitern vor Kunden oder seinem Chef in den Rücken fallen
- andere mit dem eigenen Stress anstecken
Hier ist der Link zum Artikel von Prof. Frank Walter in PERSONALquarterly 03/15:
Und hier ein Buch-Tipp, falls Sie sich selbst aktiv gegen krank-machendes Führungsverhalten schützen wollen:
Sie möchten gern zum Thema „Gesund Führen” auf dem Laufenden gehalten werden?
Wenn das für Sie interessant war und Sie auch an ähnlichen Beiträgen interessiert sind, tragen Sie sich doch einfach in meinen Newsletter ein. Dann erhalten Sie in der Regel monatlich (am jeweils 3. Mittwoch) Impulse, auch zum Thema Mitarbeiterführung.