Vielleicht wundern Sie sich über diesen Untertitel und sind der Meinung: “Bei uns sprechen alle ständig über Fehlzeiten – eben weil die so hoch sind!” Und oberflächlich betrachtet haben Sie vermutlich recht. Aber mir ist aufgefallen: Oft werden Fehlzeiten eher verwaltet als besprochen.
Wenn man über Fehlzeiten spricht, dann über die Quote.
Man redet zum Beispiel im Arbeitskreis Gesundheit oder in der ASA-Sitzung über Zahlen und Statistiken – aber nicht über die betroffenen Menschen, das Rest-Team, die Führungskraft, die Kranken. Und erst recht spricht man nicht mit diesen Menschen, sondern eben höchstens über sie.
Woran merkt man, dass Fehlzeiten ein igitt- und Tabu-Thema sind, über das man am liebsten nicht sprechen würde?
(Schilderungen von Beschäftigten sowie eigene Erlebnisse)
- An der Führungskraft, die erleichtert ist, als ein Mitarbeiter mit Gipsbein hereinkommt: „Eindeutig eine körperliche Krankheitsursache – das Rückkehrgespräch sparen wir uns.“
- An Info-Veranstaltungen für Rückkehrer (ernsthaft!): „Was Ihre Krankheit uns kostet“ (nein, ich rege mich jetzt nicht auf; ich wollte Ihnen diese wahre Anekdote aber nicht vorenthalten)
- An dem Meister, der sagt: „Bin ich froh, dass der von seinem Bruder gemobbt wird – dann hat es ja nichts mit der Arbeit zu tun.“
- An Workshops, die bei Externen eingekauft werden (sollten) mit dem Auftrag, den Oft-Kurz-Fehlenden gehörig den Marsch zu blasen („Von außen wirkt es mehr“)
- An der Aussage einer Personalerin: „Ich kann doch nicht die leitenden Führungskräfte auf ihre Quote ansprechen. Das steht mir einfach nicht zu. Und Angst davor hab‘ ich auch.“
- An der Aussage eines Vorstands: „Auf der untersten Führungsebene liegt das Problem. Kaufen Sie mal ein Coaching für die Schichtführer ein.“
- An der (schon leicht ironisch gemeinten) Bemerkung eines Betriebsrats: „Gesundheit macht bei uns der Gesundheitsbeauftragte, Eingliederung nach der Krankheit macht die BEM-Beauftragte. Für die Zeit dazwischen haben wir keinen Beauftragten. Also braucht niemand mit erkrankten Mitarbeitern zu sprechen. Höchstens mal die Personalerin. Wir hoffen einfach, dass alle länger als 42 Tage krank sind. Und fürs Rechtliche haben wir die Rechtsabteilung. Das ist bei uns perfekt organisiert.“
Im Extremfall spricht man sogar über den Bradford-Faktor.
Lieber wär’s mir, Sie wüssten gar nicht, was das ist. Denn mein Ansatz zur Fehlzeiten-Senkung ist so ziemlich das Gegenteil vom Bradford-Faktor … Aber da Sie ja eh danach fragen werden, gebe ich Ihnen hier mal einen Link (aber bitte danach sofort wieder vergessen!).
“Einfach nur gruslig” meinte eine höchst nette hauptberufliche Fehlzeiten-Senkerin, als sie das las. Und recht hat sie. Zumal so oder so bei solchen Berechnungen grundsätzlich am Ende die wegweisende Erkenntnis steht: “Irgendjemand wird mit dem Menschen reden müssen. Personaler!”
Dass es müßig ist, sich von Statistiken allein eine „Besserung“ zu versprechen, zeigte die Äußerung einer Fußballspielerin bei der WM 2019, als sie konfrontiert wurde mit Auswertungen zum Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte etc.: „Statistik schießt keine Tore.“
Und die Aussage einer Dame aus dem HR-Bereich lautet: „Wenn wir rein nach der Statistik gingen ..., dann dürften wir nur mittelalte Männer in Teilzeit einstellen.“ Ihre Kolleginnen und Kollegen waren schnell davon zu überzeugen, dass das nicht der Weg sein könnte …
Das ist lustig. Aber was ist schlimm am Reden über Statistiken?
Erst einmal nichts, im Gegenteil: Natürlich müssen Sie und mindestens alle Führungskräfte auch wissen, wie es um die Anwesenheit in Ihrem Betrieb bestellt ist; genauso wie Sie etwas über die aktuelle Produktivität wissen sollten. Diese Kennzahlen sollten alle kennen, wie der Name schon sagt. Darüber zu sprechen kann auch den Zusammenhalt und das Zugehörigkeitsgefühl stärken, nebenbei bemerkt (klappt aber natürlich nur, solange die Kennzahlen ohne Vorwurf bekannt gemacht werden).
Aber mit dem Blick auf die Statistik allein ist noch keine Fehlzeit gesenkt. Klar.
Leider lautet aber die Schnellschuss-Lösung als Fazit aus der vertieften Statistik-Auswertung sehr oft: „Problem(bereich) gefunden! Genau da müssen wir Druck machen!“ Passt nicht so wirklich in Zeiten von Fachkräftemangel – da ist Ziehen und Binden angesagt, nicht Drücken.
Hinsichtlich der Führungskräfte heißt das zum Beispiel (Original-Kundinnen-Zitat):
„Einmal pro Woche müssen die leitenden Führungskräfte strammstehen und sich vor der Leitung rechtfertigen wegen ihrer Quote.“
Und hinsichtlich der Beschäftigten heißt das etwa als Spruch gegenüber der Personalerin:
„Dem müssen Sie mal einheizen. Der hat jetzt schon 5mal in Folge freitags gefehlt, und davon auch zwei Brückentage im Mai.“
Das möchte ich gern ändern – und dabei eine salutogenetische Herangehensweise empfehlen. Das bedeutet einfach gesagt: Wir wollen links ansetzen. Also den Fokus auf die Erhöhung echter Anwesenheit legen (statt wie sonst üblich auf die Senkung von Fehlzeiten). Das Ergebnis ist dasselbe. Aber der Weg zum Ziel macht mehr Spaß …
Und das Thema wird leichter besprechbar, wenn es positiv ausgerichtet ist.
Eine Empfehlung lautet daher, dass Sie nicht (nur) von Fehlzeiten oder gar von „Krankenstand“ sprechen (ob jemand, der fehlt, tatsächlich krank ist, wissen Sie nicht; das weiß nicht mal der Arzt), sondern von Anwesenheit. Von 93 auf 94% zu kommen ist leichter und macht mehr Freude, als eine Zahl von 7 auf 6 zu senken.
Dass man nicht drüber spricht, wollen wir ändern. Und Fehlzeiten senken, aber anders. Dazu dient die Fehlzeiten-Power von „do care!®“
Das Ziel: Gemeinsam für mehr „echte (!) Anwesenheit“!
Was das ist, lesen Sie hier: >> Echte Anwesenheit (EA)