In der Reihe "Menschen im BGM" wird heute Frau Milz vorgestellt – Gesundheitsmanagerin bei dem Caritas Wohn- und Werkstätten im Erzbistum Paderborn e.V. (CWW)
Gesundheitsmanagement im sozialen Sektor
Interview mit Frau Milz – Pflegewirtin mit einem Master in Gesundheitswissenschaften
Wie ich Frau Milz kennengelernt habe
Auf einem Gesund-Führen-Seminar der Berufsgenossenschaft (BGW) wurde ich zitiert, woraufhin Frau Milz meinen Newsletter abonnierte und Kalender bestellte. Und als sie sich für dieses Jahr nach Wandkalendern erkundigte, kamen wir miteinander ins Gespräch. Leider gibt es noch immer keine Wandkalender (ich habe keinen On-Demand-Anbieter gefunden, der 12 Monatssprüche plus Kalendervordruck bereitstellt – nehme aber gern Hinweise für 2018 entgegen). Aber dieses Interview ist aus diesem Austausch entstanden 🙂
Frau Milz ist hauptamtlich für das BGM bei dem CWW Paderborn e.V. verantwortlich. Hierzu zählen 2.500 Mitarbeitende in über 20 Einrichtungen. Die Stelle ist eine Stabsstelle des Vorstands, die vor 3 Jahren geschaffen wurde – zunächst als ¾-Stelle, jetzt Vollzeit.
Was ist das Besondere an Ihrer Arbeit?
Meine Arbeit ist extrem vielfältig und umfasst ganz unterschiedliche Aufgaben. Von der Moderation der Steuerkreise über die Arbeitssituationsanalyse, das Seminare-Geben (vor allem: Gesund-Führen), die Planung und Organisation von Maßnahmen.
Außerdem gebe ich einen Tipp des Monats heraus.
Das ist eigentlich eine kleine Sache, die aber gut ankommt: Eine DIN A4-Seite zu jeweils einem Thema, das im Steuerkreis festgelegt wird. Daraus werden dann Aushänge in Papierform im Format A3, die an festen Plätzen in den Einrichtungen zu finden sind. Die Themen waren zum Beispiel: genug Trinken, Bewegung, Stress (3mal sogar), Zahngesundheit, Zuschussmöglichkeiten für individuelle Gesundheitsförderungsmaßnahmen; letztere sind zum Beispiel vielen Versicherten immer noch nicht bekannt.
Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Kommunikation. Ich rede sehr viel mit den Einrichtungsleitungen und mit den Mitarbeiter-Vertretungen. Das ist wichtig, denn ich bin kaum vor Ort, weil unsere Einrichtungen weit verstreut liegen. Wir haben zum Teil auch Paten für Angebote. Wir planen ja gemeinsam mit den Einrichtungsleitungen, was in den jeweiligen Einrichtungen passieren soll; zu diesen Treffen kommen dann ganz selbstverständlich auch Mitarbeiter, die sich für das Thema interessieren und dann eine Paten-Funktion übernehmen.
Die Multiplikatoren halten das am Leben. Die nehmen die Leute mit. Zum Beispiel schicken sie Mitarbeiter zu Veranstaltungen.
Und auch die Steuerkreise sind bei uns sehr wichtig. Die regionalen Steuerkreise sind quasi Austauschgruppen, die sich halbjährlich treffen. Sie ergänzen den strategischen Steuerkreis, der sich auf alle Einrichtungen bezieht.
Wie kamen Sie überhaupt zum BGM?
Ich habe ein Diplom in Pflegewissenschaft und Gesundheitsförderung, bin also Pflegewirtin. Anschließend habe ich in Bielefeld bei Professor Badura einen Master in Gesundheitswissenschaften gemacht.
Schon in der Oberstufe habe ich meine Ausrichtung so gewählt, denn mein Ziel war: „Ich will Betriebe in Gesundheit unterstützen“. Das hat geklappt.
Zunächst war ich für fünf Jahre in einem Wirtschaftsunternehmen tätig. Auch da habe ich mich hauptberuflich ums BGM gekümmert.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Darauf, dass wir auch an der Struktur und der Organisation arbeiten. Ein konkretes Beispiel: Die Kinästhetik in allen Einrichtungen. Das sind Kurse und Praxistage, bei denen die Mitarbeiter lernen, die Bewohner gesundheitsgerecht zu bewegen, zum Beispiel rückenschonend. Aus diesen Fortbildungen ergibt sich zum Beispiel ein besonderer Bedarf an Hilfsmitteln, die wir daraufhin anschaffen.
Es ist das Ziel, dass die Mitarbeiter merken, der Arbeitgeber kümmert sich um ihre Gesundheit.
Die Pflegedienstleitungen unterstützen diese Veranstaltungen. Sie müssen die Teilnehmenden aus den Dienstplänen herausplanen, sich um den Raum kümmern, für einen Snack sorgen, die Leute begrüßen.
Es geht nur zusammen. Allein schafft man nur einen Bruchteil, und alles gerät ins Stocken.
Für 2017 planen wir ein Projekt zum Thema „Pausenkultur“, in das wir alle Ebenen einbinden. Ich betrachte es als Führungsaufgabe, Mitarbeitende in die Pause zu schicken. Wir haben zum Glück auch überall Pausenmöglichkeiten, schöne Gärten etc. – natürlich in erster Linie für die Bewohner, aber die Mitarbeiter können sie natürlich auch nutzen. Yoga-Kurse und Sportangebote haben wir auch, aber wichtig ist, dass das BGM über individuelle Gesundheitsförderung hinausgeht.
Bei uns setzt sich der strategische Steuerkreis wie folgt zusammen: Die Geschäftsführung der Altenhilfe für den Vorstand, zwei Personalentwicklerinnen aus den beiden anderen Bereichen, eine Einrichtungsleiterin aus der Altenhilfe, eine Krankenkassenvertreterin und ich. In diesem Steuerkreis sitzt keine Mitarbeitervertretung (MAV), weil hier übergreifend gearbeitet wird. Die MAVen sind aber natürlich in den regionalen Steuerkreisen vertreten und besonders intensiv in den Einrichtungen vor Ort.
Zu Beginn führen wir in jeder Einrichtung eine Arbeitssituationsanalyse durch; die erfordert wenig Vorbereitung, und wir kommen schnell in die Umsetzung.
Das läuft bei uns unabhängig von der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen. Auch dazu haben wir einen Prozess. Im Werkstattbereich sind angestellte Sicherheitsfachkräfte beteiligt, um die Gefährdungsbeurteilung einem Praxistest zu unterziehen. Dabei hat uns die mit uns kooperierende Krankenkasse unterstützt, indem sie die Auftaktveranstaltung gestaltet hat.
Wie haben Sie es geschafft, Gesundheitsmuffel zu Gesundheitsfans zu machen?
Ich selbst eigentlich gar nicht. Das schaffen die Einrichtungen bzw. deren Leitungen. Oft merken die Mitarbeiter gar nicht, wenn ihnen Gesundheit “untergeschoben” wird, z.B. in Form von Hilfsmitteln.
Solche Themen sind viel wichtiger, als dass alle zum Yoga-Kurs kommen.
Eine weitere Maßnahme, wo Gesundheit quasi „untergeschoben“ wird, ist die Supervision für Pflegekräfte von jungen palliativen Bewohnern. Die ist ganz wichtig für die psychische Gesundheit der Pflegekräfte.
Was treibt Sie persönlich an?
Mir macht meine Arbeit unheimlich viel Spaß. Ich kann anstoßen, begleiten, und daraus entstehen Veränderungen.
Und ich erfahre unglaublich viel Wertschätzung meiner Person und meiner Arbeit.
Wer unterstützt Sie?
In allen Geschäftsbereichen habe ich Ansprechpartner, die es weitergeben. Die Einrichtungsleitungen sind wichtig, damit das BGM in den Häusern läuft; auf sie bin ich angewiesen. Umgekehrt brauchen die Einrichtungsleitungen mein Fachwissen und meine Zuarbeit. Das ist also eine Win-Win-Situation. Und die Krankenkasse unterstützt uns finanziell und mich mit fachlichem Austausch.
Dieser fachliche Austausch ist wichtig, weil ich keine Kollegin im Hause habe.
Hatten Sie anfangs Zweifel? Wie haben Sie die überwunden? Was ist das Schwierige an der Arbeit?
Nein, ich wusste, was ich kann, und dass BGM ein gutes Thema ist, das auch bei den Mitarbeitern gut ankommt.
Zweifel hatte ich nicht. Denn ich wurde nicht eingestellt, um die Fehlzeiten zu reduzieren, sondern weil die Geschäftsleitung der Ansicht war:
„Wir wollen etwas für die Gesundheit tun. Die Mitarbeiter sollen merken, dass wir uns für ihre Gesundheit interessieren.“
Das hat mich beruhigt. Aber natürlich läuft nicht jeder Prozess direkt super. So etwas hängt immer auch von der jeweiligen Einrichtung ab. Zum Beispiel hat eine Arbeitssituationsanalyse in einem Haus ergeben: „Wir wollen Yoga-Kurse“. Diese haben wir dann organisiert, die MAV war ganz stolz – und dann kam aber kaum jemand, weil es sich nicht mit dem Schichtdienst vereinbaren ließ. Das war eine Enttäuschung für die Mitarbeitervertretung. Aber daraus haben wir alle etwas gelernt, und jetzt machen wir Angebote während der Arbeitszeit.
Und selbstverständlich leiden wir auch unter dem demographischen Wandel und dem Fachkräfte-Mangel. Examinierte Pflegekräfte, Teamleiter und Pflegedienstleitungen zu finden, ist manchmal schwierig.
Das Schwierige an meiner Arbeit besteht darin, dass wir auch viele kleine verstreute Einrichtungen haben, vom Kindergarten bis zum Seniorenzentrum, von 20 bis 500 Mitarbeitern.
Das ist eine ganz schöne Herausforderung, mit allen Einrichtungsleitungen und Mitarbeitervertretungen gleichermaßen im Kontakt zu bleiben und alle regelmäßig zu informieren.
Haben Sie vielleicht einen Tipp für junge oder neue BGM-Akteurinnen?
Einen Tipp habe ich nicht wirklich.
Bei mir läuft es nur so gut, da der Vorstand das Thema BGM für wichtig erachtet.
Wäre das anders, könnte ich noch so professionell arbeiten, dann würde ich auch nicht weiter kommen.
Und was tun Sie für Ihre eigene Gesundheit?
Ganz klassisch: Ich achte auf meine Ernährung, besuche Sportkurse im Fitness-Studio, nehme medizinische Prävention wahr. Und ich probiere gern Neues aus, habe einen guten Freundeskreis und einen lieben Mann, der mich auffängt. Ich glaube, ich bin ein positiver Mensch.
Liebe Frau Milz, das kann ich nur bestätigen!
Herzlichen Dank für das spannende Interview. Wie so oft nach solchen Interviews hoffe ich, dass andere BGM-Akteurinnen nun nicht frustriert sind, weil sie nicht solche Vorzeige-Bedingungen in ihrem Unternehmen vorfinden. Nach meiner Erfahrung sind diese optimalen Arbeitsbedingungen von Frau Milz nicht gerade typisch.