Interview mit Frau Schmid

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In der Reihe "Menschen im BGM" wird heute Daniela Schmid von der Hydro Aluminium Rolled Products GmbH in Grevenbroich vorgestellt.

Durchs Boxen zu einer “weicheren” Kultur

Interview mit Daniela Schmid – Von der Fremdsprachenkorrespondentin zum Gesundheitsschutz

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Foto vom Sportabzeichen 2015: Frau Schmid (Mitte) fast allein unter Männern …

Frau Schmid habe ich über Herrn Fripon kennengelernt. Er arbeitet für die Ge.On Team Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH als Sozialberater bei Hydro Aluminium Rolled Products in Grevenbroich. Nach einem meiner Vorträge für ein Bundesamt kamen wir ins Gespräch, und ich erzählte ihm, dass ich 1 km von seiner Arbeitsstätte entfernt aufgewachsen war und dort sogar mal einen Lehrvertrag hatte (den habe ich zwar nicht unterschrieben, aber die damalige Personalabteilung hielt trotzdem den Kontakt zu mir, was mich sehr freute). Keine Frage also, dass ich sehr gern Vorträge für das Hydro-Werk in Grevenbroich gehalten habe. Daraus wurde über Jahre hinweg eine sehr nette November-Tradition.

Frau Schmid ist gelernte Fremdsprachenkorrespondentin, hat dann eine Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau durchlaufen, war eine Zeit lang zu 50% als HSE-Assistentin (Health, Safety, Environment) tätig und zu 50% in der Gesundheitsförderung – und heute arbeitet sie zu 100% im Gesundheitsschutz.

Zum Angebot der Betrieblichen Gesundheitsförderung gehören bei Hydro (2000 Beschäftigte am Standort Grevenbroich) unter anderem: Weight-Watchers-Kurse, IndoorCycling, Boxen, Yoga, Qigong, eine Gesundheitswoche, das Deutsche Sportabzeichen mit vorherigen Trainingsterminen zur Vorbereitung, Firmenlauf, Nordic Walking, Rückenschulen, Pilates, Badminton, Grippeschutz-Impfungen und die jährliche Weihnachtsfeier. Hydro ist auch Hauptsponsor und Schirmherr des Grevenbroicher Citylaufs. Dabei waren 50 Hydro-Mitarbeiter/innen am Start.

Was ist das Besondere an Ihrer Arbeit?

Ich habe hauptsächlich Männer um mich herum. Meine Arbeit ist vielfältig, kreativ und hat natürlich viel mit Menschen zu tun.

Wenn ich im Werk unterwegs bin, plane ich mehr Zeit ein als andere. Zufällige Begegnungen mit Kollegen führen häufig zu intensiven Gesprächen.

Die Kultur hier ist eher „hart“, nach wie vor, aber den Kollegen fällt auch auf, wenn ihnen das Zwischenmenschliche fehlt bzw. dass genau das ihnen gut tut.

Was ist Ihr Erfolgsrezept?

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Frau Schmid (rechts) nach dem Firmenlauf (mit ihrer Kollegin Frau Hilgers)

Ich bin Vorbild, nicht nur Bürohengst. Und ich bin authentisch. Die Leute kennen mich. Zum Beispiel beim Boxen und bei der Rückenschule nehme ich selbst teil.

Ich bin kein Püppchen – ich muss den Kollegen mit Kompetenz, Sympathie und Humor kommen. Dann nehmen die einen auch Ernst.

Und die Leute müssen spüren: „Das tut mir gut!“ – Informationsveranstaltungen dienen eigentlich nur dem Zweck, dass alle dasselbe Wissen haben.

Aber erfolgreich sind Maßnahmen immer dann, wenn man den Erfolg am eigenen Leib spürt.

Wie kamen Sie überhaupt zum BGM?

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IHK-Zertifikat

Meine frühere Chefin hat mir den Auftrag erteilt: „Organisieren Sie eine Rückenschule!“ Die Basis dafür war der Gesundheitsbericht einer Krankenkasse. Das habe ich dann gemacht – und bin in der Folge 1 bis 2 Jahre lang wie eine Litfaß-Säule durchs Werk gelaufen und habe Werbung für die Rückenschule gemacht.

Ich glaube, die Auswahlkriterien waren:

  • organisatorisch gut
  • kann mit Leuten
  • hat Spaß daran

Aber die Früchte der Arbeit stellen sich erst nach 5 Jahren ein. Man braucht Geduld. Es gab Sitzungen, wo ich dachte, gleich werfen die Leute mit faulen Eiern. Aber heute ist die Betriebliche Gesundheitsförderung so fest verankert. Die geht hier nicht mehr weg.

Es gibt auch Mitarbeiter, die sagen: „Mein Chef macht mich krank – hast du dafür auch etwas im Angebot?“

Wenn ich heute noch einmal von vorn beginnen sollte, würde ich im 1. Schritt die Führungskräfte schulen. Denn es nützt nichts, wenn man zum Beispiel einen Weight-Watchers-Kurs im Angebot hat, aber der Vorgesetzte erlaubt einem nicht, daran teilzunehmen. Die Führungskräfte, die wir hier haben, müssen wir in ihrer Vorbildfunktion erreichen: „Wenn ihr mitmacht, machen 30% mehr Leute mit, als wenn ihr selbst euch nicht beteiligt.“

Worauf sind Sie besonders stolz?

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Deutscher Unternehmenspreis Gesundheit für Hydro Rolled Products GmbH

Dass die Kultur sich verändert hat. Als ich vor 5 Jahren anfing und im HSE-Ausschuss (Anmerkung: in anderen Betrieben unter dem Ausdruck ASA-Sitzung bekannt – Arbeitsschutz-Ausschuss-Sitzung) mit hochrotem Kopf etwas vorbrachte, sagte ein Teilnehmer entsetzt: „Wie? Sollen wir uns jetzt auch noch um die Gesundheit kümmern?!“ Das ist heute anders.

Vor ein paar Jahren hätten die Führungskräfte nein gesagt, wenn man vorgeschlagen hätte, die Rückenschule während der Arbeitszeit zu machen.

Das ist heute anders. Darauf bin ich auch stolz.

Mein tollstes Projekt ist der City-Lauf. Da zeigt sich Hydro als Arbeitgeber, der etwas für die Gesundheit seiner Mitarbeiter tut. Und die Leute bringen ihre Familie mit. Da herrscht gute Laune.

Der frühere Werksleiter hatte mir gesagt, ich solle ihm Zahlen, Daten und Fakten bringen. Also habe ich aufgelistet: die verlorenen Kilo bei den Weight-Watchers, Schulnoten für die Stärke von Rückenschmerzen vor und nach der Rückenschule; und schließlich die Teilnehmer-Zahlen: Wie viele Leute habe ich erreicht? Das sind ganz schön viele.

Wie haben Sie es geschafft, Gesundheitsmuffel zu Gesundheitsfans zu machen?

Durch persönliche, direkte Ansprache. Null hierarchisch. Man muss auf Augenhöhe mit den Leuten sprechen und auf sie eingehen – nicht sofort mit Gesundheit kommen, sondern zuerst den Menschen wahrnehmen. Plakate, Intranet, Mitarbeiter-Zeitschrift: Das ist am Anfang sehr schleppend. Diese Informationen werden erst dann wahrgenommen, wenn der persönliche Kontakt bereits besteht.

Es hat sich viel verändert in den letzten 5 Jahren.

Das „Weiche“ ist bei uns inzwischen ein Stück weit angekommen. Vor ein paar Jahren hieß es noch „Wir haben keinen Stress“. Aber es hat etwas in den Kollegen ausgelöst, wenn ich gesagt habe:

„Es muss nicht der Arbeitsalltag sein, der Stress erzeugt. Es kann auch die familiäre Situation sein: Die Frau/der Mann läuft weg, ein Kind wird schwerkrank, die eigenen Eltern sterben. Dieses Gefühl ziehen Sie nicht am Werkstor aus.“

Beim Sicherheitsbeauftragten-Treff hat sich einer mit Burnout geoutet. Ein anderer berichtet, dass er einem Mitarbeiter aus einer anderen Abteilung, der weinend durchs Werk gelaufen ist, hinterher gerannt ist. Schön, dass die Leute hinschauen und sich umeinander kümmern.

Auch Pilotprojekte funktionieren am besten dort, wo die Führungskraft die Sache unterstützt und einen Sinn darin sieht und selbst mit Spaß dabei ist Wenn die Führungskräfte über alle Hierarchie-Ebenen hinweg die Sache unterstützen, dann läuft das auch.

Was treibt Sie persönlich an?

Es macht mir Spaß, Leute zu motivieren etwas für Ihre Gesundheit zu tun. Und ich glaube, ich bringe viel Hingabe mit.

 

Wer unterstützt Sie?

Viele! Die neue Werksleitung. Die Gesundheitszirkel. Herr Fripon, unser Sozialberater vom Ge.On Team. Der Werksarzt.

 

Hatten Sie anfangs Zweifel? Wie haben Sie die überwunden?

2009 in der Krise hieß es, es gäbe für BGF (Betriebliche Gesundheitsförderung) kein Geld mehr. Da habe ich nach Alternativen gesucht: Zum Beispiel bei den Krankenkassen, aber auch ein Eigenanteil kam ins Gespräch.

Mir war wichtig, das Thema am Leben zu lassen. Inzwischen haben wir das überwunden.

 

Wo haben Sie Ihre Ausbildung zur Gesundheitsmanagerin gemacht?

Ich bin Fachfrau für Betriebliches Gesundheitsmanagement; das ist ein IHK-Zertifikat, das ich an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement erworben habe.

Die Ausbildung umfasste 3 Monate Fern-Unterricht und eine Präsenzwoche.

Und was tun Sie für Ihre eigene Gesundheit?

Ich nehme teil am Lauftreff in der Mittagspause und mache mit beim Boxen, beim Yoga. Eigentlich bin ich bei allen Angeboten am Anfang dabei, auch um Inhalte der Maßnahme besser zu kennen. Ich ernähre mich gesund, das wurde mir zum Glück in die Wiege gelegt. Ich mache auch mit beim Citylauf Grevenbroich.

 

Vielen herzlichen Dank für diesen höchst interessanten Einblick in Ihre Arbeit, liebe Frau Schmid!

 

Mein Fazit:

Wer als Frau beim Thema Gesundheit im Betrieb “allein unter Männern” agiert, muss einen Zugang zu den männlichen Kollegen finden. Das gelingt gut über Angebote zu körperlicher Betätigung – vor allem wenn frau aktiv mitmacht.

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Ich freue mich wirklich sehr, wenn Sie Lust haben, hier einen Kommentar zu hinterlassen – quasi “als Mensch im BGM” für andere “Menschen im BGM” 🙂

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