Was kann schief laufen beim BGM, und wie lässt sich das verhindern? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der folgende Artikel.
Wo liegen typische Fehlerquellen beim Betrieblichen Gesundheitsmanagement?
Eine klassische Problemkonstellation im BGM sieht so aus:
- Ziele wurden nicht klar definiert.
- Erhebungsinstrumente haben Erwartungen geschürt.
- Die Geschäftsleitung wünschte sich eine Veränderung des Verhaltens.
- Der Betriebsrat/die Beschäftigten wünschten sich eine Veränderung der Verhältnisse.
- Man konnte sich nicht einigen. Alle sind enttäuscht.
Damit Ihnen das nicht passiert, stelle ich Ihnen direkt jetzt am Anfang typische Problemkonstellationen vor – mit Tipps zu deren Vermeidung.
Typischer Fehler: „Widerstand“ unterschätzen
Oder beleidigt darauf reagieren. Dabei ist es völlig normal, dass Menschen mit Abwehr reagieren, wenn Veränderungen angekündigt werden:
- Menschen mögen nur Veränderungen, die sie selbst initiiert haben;
- jede Veränderungsanordnung signalisiert: “bislang war schlecht, so geht’s besser”;
- damit wird Altes in Frage gestellt – so als wäre es jetzt nichts mehr wert
TIPP FÜR SIE:
Rechnen Sie damit, dass die Leute nicht begeistert reagieren (die jeweiligen Gründe dafür schauen wir uns im Verlauf des Online-Kurses noch an). Gehen Sie auch bei einzelnen Maßnahmen – z.B. beim Gesundheitstag – eher von wenig Besuchern oder Besucherinnen aus. Das erspart Ihnen so manchen Frust.
Typischer Fehler: Man schaut nur auf die Belastungen, nicht auf die Ressourcen.
Neben den Stressoren gibt es auch Ressourcen! Das vergessen auch BGM-Akteure ab und zu. Nach meiner Beobachtung konzentrieren sich die meisten Gesundheitsmaßnahmen auf den Abbau von Stressoren aller Art (Reduzierung von Stress, Konflikten, krankmachenden Führungskräften, gesundheitsschädigenden Strukturen etc.).
Vergessen wird dabei in der Regel: Gesundheit lässt sich genau so – und oft viel einfacher und mit mehr Freude – fördern, indem man Ressourcen stärkt und ausbaut (Team-Zusammenhalt, gutes Betriebsklima, Anerkennung, schöne Sozialräume etc.).
TIPP FÜR SIE:
Denken Sie – z.B. bei einem Vorstand, der nichts an den Arbeitsbelastungen verändern möchte – an die Ressourcen, die sich stärken lassen. In dem Beispiel: Vielleicht stellt sich der Vorstand quer bei der zu erwirtschaftenden Stückzahl – aber er ist gesprächsbereit bei der Frage, wer wann was macht, so dass flexible Arbeitszeiten oder frei gewählte Schichten möglich werden. Oder ein Betriebskindergarten wird eingeführt.
Typischer Fehler: Zu bescheiden sein und deshalb gar nicht erst starten.
„Wir haben kein BGM – das ist doch alles bloß Gesundheitsförderung.“ Insbesondere in Unternehmen, die schon recht weit sind in Sachen Gesundheit, höre ich oft Sätze wie „Wenn wir das und das und das geschafft haben, dann können wir langsam von einem betrieblichen Gesundheitsmanagement reden; bislang machen wir ja eigentlich nur Gesundheitsförderung.“
Wichtig ist, dass Sie sich mit Kollegen zu dieser Frage austauschen – aber nicht wegen monatelanger Diskussionen in Untätigkeit verharren. Vielleicht kommen Sie erst später dazu, dass Gesundheit tatsächlich Managementaufgabe wird und dass ein Prozess in Gang kommt, der letztlich eine Organisationsentwicklung bedeutet – Hauptsache, Sie bewirken was. Belehrungen und Empfehlungen allein führen nur in den seltensten Fällen zu Verhaltensänderungen … Der Mensch muss selber wollen.
Denn das ist genau das, was über den Erfolg von Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheit entscheidet – egal ob beim BGM oder bei der BGF: Wo ist der Mensch? Was kann er selbst mitgestalten? Wie denkt er? Wie kann man ihn etwas erleben lassen und über das Erleben Wissen vermitteln?
TIPP FÜR SIE:
Starten Sie ruhig mit einem Mini-Maßnähmchen! Jede ergonomische Anpassung, jeder Benefizlauf, jeder Wasserspender, jede Bereitstellung von attraktiver Persönlicher Schutzausrüstung, jede Mitarbeiterbefragung, jedes Betriebssportangebot, jede Beschaffung technischer Hilfsmittel, jede Flexibilisierung des Schichtsystems, jede Umgestaltung der Kantine zum Kommunikationszentrum, jedes Coaching, jedes Angebot zur Kollegialen Beratung, sogar notfalls die Abmahnung und Entlassung einer krankmachenden Führungskraft – all das kann Ausdruck von Wertschätzung sein und die Gesundheit fördern. Und möglichst viele sollen mitmachen – fast egal, wobei. Organisationsentwicklung beginnt im Kleinen (und wird größer).
Typischer Fehler: Die Fehlzeitenquote zur Erfolgsmessung benutzen
Professor Badura, der Grand Seigneur des betrieblichen Gesundheitsmanagments im deutsch-sprachigen Raum (und Autor des Buchs „Sozialkapital“), meint: Fehlzeiten sind ein Spätindikator. Sie zeigen höchstens, wo es brennt. Aber die Fehlzeitenquote als solche kann niemals ein Kennzeichen für Gesundheit sein – angesichts der großen Zahl an Menschen, die sich auch krank an den Arbeitsplatz schleppen. Mit Präsentismus ist niemandem geholfen.
Trotzdem gibt es nach wie vor viele Unternehmen, die das Thema „Fehlzeiten“ gern per Knopf-druck behandelt wissen möchten. Und wenn man ihnen erzählt, dass sie dafür sorgen müssen, dass die Führungskräfte in einem von Wertschätzung geprägten Klima mit ihren Mitarbeitenden Willkommens- und überhaupt wertschätzend Gespräche führen sollten, dann lautet die Antwort: „So weit sind wir noch nicht.“ Aber die Zeit der Knopfdruckquote ist vorbei – und angesichts der älter werdenden Belegschaften und des Fachkräftemangels bleibt das auch so.
In der Praxis überwiegt nach wie vor das Kurative gegenüber dem Präventiven, sprich: Krankheiten und ihre negativen Konsequenzen – oft allein über die Fehlzeitenquote gemessen – stehen im Fokus. Das Gute daran: Besser ein BGM aus diesem Grund als gar kein BGM …
TIPP FÜR SIE:
Passen Sie auf, dass Sie bei der Zielsetzung Ihres BGM keine zu hohen Erwartungen wecken in Bezug auf die Fehlzeitenquote! Sie wollen doch nicht nur, dass die Leute anwesend sind. Sie wollen doch, dass sie gute Arbeit leisten. Oder? Geht’s Ihnen um die Zahlen? Oder um die Produktivität? Wollen Sie ein Fehlzeiten-Management oder betriebliches Gesundheitsmanagement?
Übrigens: Insbesondere bei Langzeitfällen (chronischen Erkrankungen) spielen psychische und soziale Faktoren (Sorgen, Ängste, Verunsicherung, Einsamkeitsgefühle, Sich-Nicht-Gebraucht-Fühlen) eine wichtigere Rolle als medizinische Faktoren.
Typischer Fehler: Mit zu wenig Mitstreitern an den Start gehen
Es nützt nichts, wenn Sie alleine für das Thema brennen. Im Gegenteil: Dann ist die Gefahr groß, dass Sie sich verausgaben und trotzdem allein da stehen. Und am Ende sind auch Sie selbst nicht mehr an Bord … Das wäre zu schade!
TIPP FÜR SIE:
Passen Sie auf, dass man nicht das gesamte BGM (Führungskräfte einbinden und deren Managementaufgaben und -prozesse gesundheitsgerecht gestalten; Mitarbeitende zum Mitmachen bewegen; Öffentlichkeitsarbeit für den ganzen Prozess) auf Ihren Schultern ablädt, nur weil andere finden, dass das Ihr Job sei – Gesundheit ist ein Gemeinschaftswerk, und BGM erst recht! Wenn das Ihr Auftrag ist („Richten Sie doch mal so’n BGM ein!“), ist das Scheitern leider vorprogrammiert.
Wichtig ist, dass sich VIELE um Gesundheit kümmern, sonst heißt es: „Wenn keiner danach fragt, dann ist es wohl nicht wichtig.“
Typischer Fehler: Projekt statt Prozess
Es geht beim BGM nicht um ein Projekt (das fänden alle prima, denn das hieße, dass man einen Themenkomplex für gewisse Zeit ausgrenzen kann), sondern um nichts Geringeres als um eine Organisationsentwicklung: Das GANZE muss anders werden. Ein Projekt ist etwas zeitlich und inhaltlich Begrenztes, das neben dem betrieblichen Alltag herläuft bzw. noch oben drauf kommt (das provoziert Widerstand). Stattdessen muss aber das Ziel sein, Prozesse, Strukturen, Verhältnisse und Verhalten dauerhaft so zu verändern, dass
größeres Wohlbefinden aller Menschen im Betrieb daraus resultiert.
TIPP FÜR SIE:
Wenn die Leitung darauf besteht, dass zunächst ein zeitlich befristetes Projekt durchgeführt wird (weil sie sich einfach nicht für die Ewigkeit festlegen möchte), dann sollten Sie bei allen möglichen Gelegenheiten klarmachen, dass so ein Projekt ja immer nur der Start oder der erste Baustein sein kann – und die Beschäftigten mehr erwarten. In den Köpfen (von allen) muss klar sein: BGM ist ein Prozess in Spiralform.
Typischer Fehler: Billig einkaufen
Vom Grundsatz her nicht schlecht: Die Berufsgenossenschaft / Unfallkasse und eine Kranken-kasse ins Boot holen. Aber 1.: Sie können Ihr BGM keinesfalls an diese externen Institutionen delegieren. Das lassen die gar nicht mit sich machen, sondern geben Ihnen „nur“ Anregungen zur Selbsthilfe. Die passen – zu Recht – auch auf ihr Geld auf. Und 2. wäre das auch nicht im Sinne des Erfinders: Sie wollen ja das BGM in die Strukturen und Prozesse Ihres Betriebs integrieren. So etwas geht nicht von außen. Denken Sie ans Dissonanzprinzip, das besagt: Wir Menschen denken stets „Was nichts kostet, ist auch nichts“ und andererseits „Ich habe da hinein investiert, allein schon dadurch wird es für mich wertvoll“.
Aber sich von externen Experten fachlich unterstützen zu lassen – das kann eine sinnvolle Variante sein, um ein BGM ans Laufen zu bekommen. Insbesondere wenn Sie es sich nicht zutrauen, Ihre Geschäftsleitung selbst zu überzeugen, ist dieser Weg denkbar. Oder wenn Sie befürchten „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land“.
Sie sollten aber von Beginn an darauf achten, dass nicht die externen Experten der BG oder der Krankenkasse von den Kolleginnen und Kollegen als BGM-Promotoren betrachtet werden, sondern SIE bzw. Ihr Arbeitskreis Gesundheit. Sie sind nicht nur der Mensch, der die Fachleute einlädt, sondern „Ihr Gesicht“/Ihre Gesichter soll/en mit dem BGM verknüpft sein.
TIPP FÜR SIE:
Vorsicht, wenn Ihre Geschäftsleitung Sie damit beauftragt, bei externen Institutionen um Unterstützung nachzufragen! Eventuell ist dies ein Zeichen dafür, dass ihre eigene Mitwirkungsbereitschaft gering ist (bzgl. Zeit, Geld, Arbeit, Veränderung).
Typischer Fehler: Unternehmenskultur von “draußen” einkaufen wollen
Ein Beispiel aus der Beratungspraxis:
Bei einem Unternehmen ergab die Mitarbeiterbefragung, dass sich die Beschäftigten eines Teilbereichs sehr wenig wertgeschätzt fühlten. Daraufhin wurde die Personalleitung beauftragt: „Wertschätzung fehlt – kaufen Sie die mal ein (in Form von etlichen Seminaren zu dem Thema)“. Ungefähr so war es wohl. Jedenfalls stellte sich heraus: Die Vorstände dieses Konzerns hatten sich gerade die Gehälter erhöht und zudem die finanziell intensive Sportförderung bewilligt, während die Beschäftigten mit Blick auf die angespannte Marktlage zum Lohnverzicht aufgerufen wurden bei gleichzeitiger Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Das Geld für die Veranstaltungen sollte aus dem Budget des AK Gesundheit genommen werden.
Da wollte sich jemand quasi freikaufen: „Wenn wir Seminare bezahlen, brauchen wir keine Lohnerhöhung zu geben oder den Leuten tatsächlich wertschätzend zu begegnen“. Wertschätzung kann man nicht „einführen“ – und einkaufen schon gar nicht! Sie ist auch nichts wirklich Neues. Sie kommt nicht von außen, und sie ist auch keine neue Aufgabe für Führungskräfte. Man kann sie nicht „einführen“ wie ein Betriebliches Gesundheitsmanagement. Genauso wenig wie man wertschätzendes Führungsverhalten oder eine wertschätzende Unternehmenskultur oder überhaupt Werte „einführen“ kann.
TIPP FÜR SIE:
Hilfreich ist die Haltung: Wertschätzung ist immer schon da. Man muss sie nur entdecken und ihr zur Entfaltung verhelfen. Das geht, indem man sich über diese Themen austauscht, sich mit den Inhalten auseinandersetzt, zur Reflexion der eigenen Haltung und des eigenen Verhaltens bereit ist und das Augenmerk auf positive Aspekte des Unternehmens, des Teams und des einzelnen legt.
Aber wehren Sie sich, wenn Sie den Eindruck haben, dass die Geschäftsleitung Leistungen von außen einkaufen möchte, nur um selbst nichts verändern zu müssen. Bestehen Sie zumindest auf einer Teilnahme der Leitung.
Typischer Fehler: BGM ist eine Alibi-Veranstaltung (ohne dass man es merkt)
Natürlich lässt sich BGM auch missbrauchen. Leider gibt es gar nicht so selten Betriebe, die Veranstaltungen zu Burnout, Stress oder Resilienz anbieten, um anschließend die Schrauben weiter anziehen zu können und nichts an den Verhältnissen zu verändern – eine Art Reinwasch-Aktion. Verhindern Sie das! Dazu ist das Thema zu Ernst.
Der Vorwurf tritt in der Praxis vor allem dann auf, wenn es sich um unverbundene Einzelaktivitäten handelt (wovon ich eh abraten würde). Wenn Beschäftigte so einen Vorwurf äußern, ist häufig in der Vergangenheit viel Porzellan zerschlagen worden. Gleiches gilt, wenn ein Mitarbeiter einen Satz wie den folgenden äußert (ist tatsächlich passiert! Ich fragte ihn beiläufig, warum er denn nicht auf der Gesundheitsmesse sei, die gerade statt fand):
„Das macht ihr doch bloß, damit ich gesund bleibe!“
Dabei hätte er selbst ja durchaus auch etwas davon gehabt. Aber offenbar fühlte er sich in dem Betrieb ohnehin nicht wertgeschätzt, weshalb er dem Gesundheitstag mit Misstrauen begegnet ist.
Schildern Sie klar und deutlich, was der Betrieb davon hat, ein BGM einzuführen. Und was der Mensch selbst davon hat. Nutzen, Nutzen, Nutzen – für den Betrieb, fürs Betriebsklima, für die Führungskraft und für den einzelnen Beschäftigten: Benennen Sie den jeweiligen Nutzen, ohne sich zu verstecken.
TIPP FÜR SIE:
Reflektieren Sie im AK Gesundheit immer wieder, wie Sie verhindern, dass Ihr BGM missbraucht wird. Das wird immer dann der Fall sein, wenn seitens der Geschäftsleitung Verhältnisänderung (Umgestaltung von Arbeitsbedingungen und Strukturen) abgelehnt wird. Sobald Sie hingegen den Beschäftigten zeigen können, was sich schon alles auf Verhältnisebene zum Besseren verändert hat, steigt auch das Vertrauen sowie die Bereitschaft zur Verhaltensänderung.
FAZIT aus diesen typischen Fehlern:
Enttäuschungen vermeiden … Das ist eine ganz wichtige Aufgabe innerhalb des BGM, für die Sie schon zu Beginn des Prozesses sorgen müssen: jetzt, bei der Zieldefinition, die ja nach Aussagen vieler Beteiligter „ganzheitlich“ zu sein hat. Versprechen Sie nichts, was Sie nicht halten können – weder gegenüber den Mitarbeitenden noch gegenüber der Geschäftsleitung! Zum Beispiel weckt jede Mitarbeiterbefragung zumindest die Erwartung, dass sich aufgrund der Ergebnisse etwas verändern wird. Wenn diese Erwartung enttäuscht wird (und Ergebnisse womöglich gar nicht erst dokumentiert werden, weil sie so schlecht sind), ist Vertrauen verspielt.
Was auch immer Ihre Ziele sind – Sie sollten zurückhaltend bei den Erwartungen und sehr konkret bei der Zielformulierung sein! Vermeiden Sie Wischi-Waschi-Aussagen wie „Das Betriebsklima wird verbessert“ (konkret: wie will man das messen) oder „Es wird ein ganzheitliches Leitbild erstellt“ (konkret: was gehört dazu, wer macht was wann wie mit wem?).
Sich über Themen austauschen, gemeinsam reflektieren
Das schweißt zusammen und sorgt dafür, dass sich gemeinsame Werte herausbilden können. Dies gelingt zum Beispiel über die Gesundheitspost (wenn Sie Führungskräfte und Mitarbeitende gleichermaßen einbeziehen wollen):
>> https://www.do-care.de/gesundheitspost/
Und wenn Sie möchten, dass die Führungskräfte vorangehen und nebenbei die Fehlzeiten gesenkt werden:
https://www.do-care.de/positives-fehlzeiten-management/
Diese Online-Seminar-Reihe "Positives Fehlzeiten-Management" verändert die Kultur in BGM-freundliche Richtung, und zwar elegant und unaufdringlich.