Warum Werte und Widerstand zusammengehören

veröffentlicht in: Kultur + Miteinander

Werte und Widerstand: Dieser Beitrag entstammt ursprünglich aus einem früheren Newsletter, aber ich halte ihn weiterhin für sehr wichtig

Zwei Seiten einer Medaille

Werte geben Orientierung, bzw. im Artikel „Wie Ernst ist es Ihnen / Ihrem Betrieb mit der Gesundheit?“ hieß es: Die Haltung prägt das Verhalten. Wenn wir unsere Werte als Richtschur verwenden, verleiht uns das nicht nur Sicherheit, sondern auch Motivation. Wir
wollen uns für unsere Werte einsetzen und gegebenenfalls auch Hindernisse überwinden.

Etwas provokant formuliert, kann man sagen: Erst in Krisenzeiten zeigt sich, welche Werte uns tatsächlich leiten.

Ebenso wie man in Führungskräfte-Seminaren immer wieder merkt: ‚Einfache’ Mitarbeitende führen – das ist einfach, das kann jede/r; ob jemand wirklich gut führen kann, zeigt sich erst im Umgang mit den sogenannten ‚schwierigen’ Mitarbeitenden.
Krisen verändern Wertehierarchien?
In Krisenzeiten drohen viele – einzelne Menschen wie ganze Betriebe – ihre Werte zu verraten. Lassen Sie es uns neutraler ausdrücken, also weniger abwertend: In Krisenzeitenarrangieren viele ihre Werte-Hierarchie um. Plötzlich rücken Werte nach vorn, die bis dahin völlig unwichtig waren.
Das kennen wir auch aus dem Privatleben: Wenn unser Partner uns verlassen hat, wird die Diät völlig unwichtig (umgekehrt kann sie als Self-Care-Projekt auch gerade in denVordergrund rücken). Das ist normal. Was aber sind nun die „wahren Werte“ eines
Individuums oder eines Betriebs – die aus der Krisenzeit oder die aus der „normalen“ Zeit?
Die Entscheidung hierüber mag der Leser / die Leserin selbst treffen.

„Krise“ als Vorwand für wertewidriges Handeln

Eine andere spannende Frage ist: Wann ist eine Krise eine Krise? Wenn die Gewinne nur um 3 statt um 6% steigen, sprechen manche Unternehmen schon von einer Krise – und nutzen diesen Umstand als Begründung fürs Über-Bord-Werfen aller Prinzipien; da werden Überstundenregelungen gekippt oder regelrechte Notstände ausgerufen.
Und gar nicht so selten scheint es, dass „die Krise“ als Vorwand herhalten muss, um wertewidrige Entscheidungen zu legitimieren. Man könnte meinen, in der Pseudo-Krise zeigt ein Betrieb sein wahres Gesicht: Die Krise wird herbeigeredet, um unpopuläre Maßnahmen durchsetzen zu können – auch gegen den Widerstand der Beschäftigten.

Gesucht: Werte-Seismographen

In solchen Fällen braucht es Werte-Seismographen wie aufmerksame Rufer in der Wüste. Gesucht sind Menschen, die solche Diskrepanzen zwischen verkündeten (oder verordneten) und gelebten Werten aufdecken und publik machen. Quasi die Edward Snowdens des Betriebs oder auch des einzelnen. Statt diese Menschen abzuwerten, für unwichtig zu erklären oder gar auszugrenzen oder mundtot zu machen, sei uns allen ein behutsamerer Umgang mit ihnen ans Herz gelegt. Wer uns ein Feedback dazu gibt, dass unsere gelebten Werte von unseren Vorsätzen abweichen, beweist damit Mut, der belohnt gehört.
Disziplin ist erforderlich, wann immer wir unsere Ziele erreichen wollen. Aber wir sind von Natur aus schwach. (Tiere haben übrigens gar keine Selbstdisziplin; das Prinzip des Belohnungsaufschubs ist ihnen völlig fremd; wir sollten uns also über jedes Fitzelchen
Selbstdisziplin freuen, das wir an uns entdecken, statt uns mit Selbstvorwürfen zu martern, weil wir so schwach sind.)
Also sollten wir uns freuen, wenn Menschen uns auf Widersprüche aufmerksam machen und uns damit vielleicht Motivations- oder Disziplinierungshilfen geben. Zumindest regen sie uns durch ihre Rückmeldung an, dass wir unsere Wertehierarchie neu überdenken; das schadet selten und nützt oft.

Zivilcourage als Form sozialer Unterstützung

Wir tun uns bei allem im Leben leichter, wenn wir dabei soziale Unterstützung erfahren. Sie weckt unsere Widerstandskraft, hilft uns beim Durchhalten, stärkt uns den Rücken. Wir – einzelne wie Betriebe – sind angewiesen auf Wach-Rüttler. Auf Menschen, die uns an unsere Vorsätze erinnern, auch in Sachen Gesundheit.
Wenn Kolleginnen oder der Partner diese Aufgabe übernehmen, also uns wach-rütteln und sachte daran erinnern: „Hey, du wolltest doch am Jahresende das Sportabzeichen schaffen“ oder „Wir haben doch eine Führungsleitlinie, in der steht, dass wir offen sind auch für negative Kritik“, ist das eine Form von sozialer Unterstützung. Diese Menschen haben den Mut, uns Feedback zu geben, und dafür sollten wir ihnen dankbar sein.
(Kleine Anmerkung: Diese Kritiker erleichtern es uns, ihre Rückmeldung anzunehmen, wenn sie ihr Feedback nicht anklagend geben sondern eher nüchtern; also nicht jammern „Du bist aber gar nicht wertschätzend – und wir sollen doch wertschätzend sein!“ sondern z.B. sagen: „Ich nehme eine Abweichung von dem wahr, wie wir laut unserem Kultur-Treffen mit einander umgehen wollen;
vielleicht wäre es mehr im Sinne unserer Leitlinie, wenn Sie sich im ersten Schritt die Ideen anhören und erst danach entscheiden, wie es weitergeht“).

Mut zum Widerstand

Vielleicht sind Sie ja auch so ein Rufer in der Wüste. Dann sollten Sie im Sinne der guten Sache unbedingt dran bleiben – natürlich immer im Kontakt mit anderen und flexibel im täglichen Verhalten, aber stark und unbeirrbar in den Grundüberzeugungen. Wenn Ihnen Diskrepanzen zu Vorsätzen oder Leitbildern im Betrieb (z.B. im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements) auffallen, sollten Sie diese mutig ansprechen.
Und idealerweise – natürlich in Abhängigkeit von Ihrer persönlichen Lebenssituation und Ihrer Persönlichkeitsstruktur – sollten Sie den Mut zum Widerstand aufbringen. Was so kommunistisch motiviert oder subversiv klingt, meint in der heutigen Arbeitswelt nicht viel anderes als: Nein sagen. Rückmeldung geben. Zum Beispiel der Geschäftsleitung deutlich sagen: „Die Leute können nicht mehr. Wenn Sie jetzt die Zielvorgabe noch einmal erhöhen, werden aus gesundheitlichen Gründen Kollegen ausfallen, die das Pensum nicht mehr schaffen.“
Sie erhöhen die Akzeptanz Ihrer Äußerungen, wenn Sie dieses Gespräch unter 4 Augen führen und im nächsten Schritt deutlich machen: „Das wäre ein Jammer für diese langjährigen loyalen Kollegen, und Sie als Geschäftsleitung haben ja bestimmt auch kein
Interesse daran, dass die Krankenzahlen weiter steigen. Vielleicht lassen sich andere Lösungen finden, die mehr im Sinne der Gesundheit sind – wir hatten ja schließlich gerade erst die Kick-Off-Veranstaltung zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement; das Thema liegt uns ja allen am Herzen.“

Kompromissbereit bei den Lösungen, kompromisslos bei den Werten

Bleiben Sie kompromissbereit in den Lösungen, aber stark in Ihren Werten. Und ganz wichtig: Verzichten Sie auf Vorwürfe! Die offensten Ohren werden Sie vorfinden, wenn Sie eine Allianz für Gesundheit schaffen („Wir wollen doch alle noch was von der Rente haben“) statt Fronten zu bilden („Sie haben sich zur Gesundheit verpflichtet, und jetzt verraten Sie Ihre Werte!“) – Letzteres sorgt nur für Gegenwehr.
Widerstand gegen gesundheitswidrige Entscheidungen gehört quasi dazu, wenn man sich für Gesundheit als Wert im Unternehmen entschieden hat. Andernfalls bleibt das Wertebild eine Luftnummer.
Viel Mut, Kraft und Erfolg bei Ihrem Einsatz für eine gesündere Arbeitswelt, die in Einklang stehen möge mit Ihren persönlichen Werten und den Werten des Unternehmens!

 

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