Warum Widerstände an der Tagesordnung sind

veröffentlicht in: Führung + Gesundheit

Dieses Kapitel aus dem Buch Führung und Gesundheit erklärt, warum Widerstände - auch bei eigentlich positiven Themen wie Gesundheit - normal sind. Natürlich inclusive Tipps für Sie.

Widerstände gehören dazu – auch beim Thema Gesundheit

Sie möchten das Thema „Führung und Gesundheit“ in Ihrem Betrieb implementieren? Seien Sie gewarnt: Widerstände gegen das Thema sind der Normalfall, offene Türen sind die Ausnahme. Rechnen Sie besser vorher schon mit Ablehnung. Führungskräfte befürchten, an den Pranger gestellt zu werden (siehe Kapitel 7). Geschäftsleitungen fürchten Kosten und Schlimmeres (siehe Kapitel 8).

Sogar bei einem klassischen Gesundheitstag sollten Sie Widerstände einplanen.

Und vor allem nicht mit einer grandiosen Beteiligung rechnen. Die Gefahr, enttäuscht zu werden, ist zu groß. Ich habe schon erlebt, dass die Beschäftigte sich nicht trauten hinzugehen, weil sie – als sie ihren Besuch beim Gesundheitstag ankündigten – von Kollegen und ihrem Vorgesetzten schief angeschaut wurden: „Und dafür hast Du Zeit?“. Oder aber belächelt wurden: „So, du bist also im Stress.“ Unter solchen klimatischen Verhält­nissen wagten nur noch die Mutigsten, das Angebot in Anspruch zu nehmen. Kein Wunder, dass auf der Aktionsfläche gähnende Leere herrschte und die Organisatoren auf den Gemüsesäften, Therabändern und Sitzbällen sitzen blieben.

Manchmal sind auch Führungskräfte Ursache für die Widerstände

Öfter als man glaubt sind es sogar Führungskräfte, die Gesundheitstage sabotieren, indem sie verlauten lassen: „Da darf nur hingehen, wer gerade einen leeren Schreibtisch hat.“ Und bei Termindruck im Nacken wird der Besuch des Gesundheitstages direkt untersagt. Hat es alles schon gegeben.

Insbesondere Führungskräfte mit einem hohen flexiblen Gehaltsanteil (sprich: wo die Prämie gefährdet würde) vergessen schon mal, dass sie beim letzten Abteilungsleiter-Meeting geschworen haben, mehr für die Gesundheit der Leute zu tun, insbesondere bei strikter Vertriebsorientierung. Aber auch aus anderen Gründen müssen Sie sich erst einmal auf Ablehnung und Widerstände gefasst machen.

Bloß nix Neues!

Menschen sind zwar neugierig auf Neues – aber nur, wenn sie es selber erkunden dürfen. Wenn Sie jetzt aber zu Ihrem Vorstand, Ihrem Betriebsrat, Ihrem Betriebsarzt oder wem auch immer kommen und Maßnahmen zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement vorschlagen, werden Sie nur dann auf offene Ohren stoßen, wenn Ihr Gegenüber sich selber schon mit ähnlichen Gedanken beschäftigt hat. Sie haben dann den Eindruck „der tickt wie ich“. Sind hingegen Ihre Ideen für den anderen neu, so müssen Sie mit Widerständen rechnen. Das ist ganz normal (und wichtig, vorher schon zu wissen).

  • „Gesundheit ist Sache des einzelnen!“
  • “Wir sind doch kein Kuschelverein!”
  • “Das ist doch Sozialromantik!”
  • “Sie wollen ja nur die Ausbeutung intensivieren!”
  • “So falsch kann das bisher ja wohl nicht gewesen sein!”

Die Ankündigung von Veränderungen, also Neuem, impliziert: Das Alte war schlecht.

Da uns das Alte aber lange begleitet hat, identifizieren wir uns damit und wollen es nicht so leicht hergeben. Das alte Verhalten, die alten Regeln, die alte Organisation sind ein Teil von uns geworden. Wir fühlen uns durch die Veränderungsankündigung angegriffen und verteidigen uns – und damit das alte Verhalten, die alten Regeln, die alte Organisation. Das wirkt nach außen starrköpfig („der ist ja veränderungsresistent!“), dient aber psychologisch betrachtet sinnvollen Zielen, nämlich dem Erhalt dessen, was sich bewährt hat.

Widerstände gegen Neuerungen treten immer dann auf,
wenn das Bisherige nicht hinreichend gewürdigt wurde.

 Wenn Sie also etwas bewirken wollen, ist wichtig, dass Sie das Alte würdigen („wir haben ja schon das und das, und beides wird gut angenommen und hat uns schon ein Stück nach vorne gebracht“), bevor Sie mit Ihren neuen Vorschlägen oder Ergänzungen kommen. Ihr Gegenüber wird dann offener zuhören, als wenn Sie sofort loslegen mit neuen Ideen. Und wenn Sie Ihre Vorschläge als Ergänzung zum Bisherigen verkaufen – also nicht als grundlegend Neues –, wird auch das die Akzeptanz bei widerstrebenden Gesprächspartnern erhöhen.

Gegen die Widerstände argumentieren?

Selbst wenn Sie das beachten, werden Sie sich mit etlichen Widerständen auseinandersetzen müssen. Sprüche wie „Gesundheit ist Sache des einzelnen“ schleudern Ihnen Argumente vor die Füße – und Sie glauben dann, Sie müssten solche Argumente mit Gegenargumenten parieren. Müssen Sie nicht. Wenn zwei Gesprächspartner Argumente und Gegenargumente aufschichten, geht es mehr um Gegen- als um Miteinander.

Also bitte nicht argumentieren!

Argumente-Aufhäufung ist ein rhetorischer Wettbewerb, führt aber nie zu einer einvernehmlichen Lösung. Denn wie sollte so eine Lösung aussehen? So, dass sich einer von beiden am Ende geschlagen gibt? Wer sollte das sein? Wenn Sie das sind, hätten Sie das Gespräch gar nicht erst zu beginnen brauchen. Sie werden den Gesprächsausgang als Niederlage bewerten. Und wenn Ihre Argumente so toll waren, dass der andere – zum Beispiel Ihre Geschäftsleitung – aufstecken muss, ist Ihnen auch damit nicht geholfen: Der andere wird nie aufgrund Ihrer tollen Argumente Feuer und Flamme werden fürs BGM.

Auch noch so tolle Argumente (z.B. Studien) führen nie dazu,
dass ein anderer Mensch für Ihre Idee entflammt.

Sie müssen es also stattdessen irgendwie hinbekommen, dass beide Gesprächspartner mit einem guten Gefühl aus dem Gespräch herausgehen, nicht mit dem Eindruck der Niederlage. Sie wollen schließlich mit einander etwas im Betrieb bewegen, nicht gegen einander. Durch Argumente bekommen Sie andere Menschen nie auf Ihre Seite. Das ist insbesondere für kopflastig strukturierte Menschen oft eine schwere Einsicht. Man muss die Emotionen des Gegenübers ansprechen, dann wird es vielleicht auch anfangen, für eine Sache zu brennen.

Den anderen gewinnen statt überreden! Dazu braucht es Gefühle.

„Jetzt hab ich so toll argumentiert, und trotzdem weigert sich der Willi, Sport zu machen“ – wer solchermaßen frustriert reagiert, unterstellt, dass Menschen rein vernunftgesteuert handeln. Tun sie nicht. Sonst gäbe es keinen Suchtmittelkonsum oder Bewegungsmangel. Und selbst wenn der Willi in dem Beispiel sich irgendwann geschlagen gegeben hätte und mitgekommen wäre zum Walken: Er hätte es getan, um endlich keine Vorwürfe mehr zu hören. Aber er wäre nicht mit Freude bei der Sache. Und er würde das Walken nicht freiwillig fortsetzen. Er wäre überredet, aber nicht überzeugt.

Nicht auf der Meinung beharren

In ähnlicher Weise geht es Ihnen nicht nur um das bloße Zugeständnis, Maßnahmen ergreifen zu dürfen. Sie werden sich besser fühlen (und Ihre Projekte werden erfolgreicher sein), wenn die anderen mit Ihnen am selben Strang ziehen. Das heißt, dass sie auch gefühlsmäßig hinter Ihnen stehen. Dazu müssen Sie sie für das Thema gewinnen – emotional und nicht durch Argumente.

Wenn also jemand sagt „Gesundheit ist Sache des einzelnen“, ist es vergebene Liebesmüh, wenn Sie darlegen, wieso Gesundheit auch Sache des Arbeitgebers ist. Das führt nur zu Pro-Contra-Spiralen, die im Nichts enden. Erwidern Sie – statt auf Ihrer Meinung zu beharren – zum Beispiel:

„Ich denke nur, dass das Unternehmen davon profitiert, wenn die Leute sich hier wohl fühlen.“

Sie können ruhig hinzufügen „Das mag sein“ (dass Gesundheit primär Sache des einzelnen ist), aber am besten gehen Sie gar nicht auf das Argument ein, sondern lenken das Gespräch direkt um zu einem Vorteil für Ihr Gegenüber. Diesen Vorteil – in dem Beispiel: „profitieren“ – möchte der andere gern nutzen, also wird er Ihre Vorschläge anhören. Es ist im Grunde wie bei einem Verkaufsgespräch: Sie holen sich die Zustimmung zu einer oder mehreren Aussagen, die Vorteile für den anderen beinhalten, und als letztes präsentieren Sie ihm, was er tun muss, um diese Vorteile einzuheimsen. Wenn er zu den Vorteilen ja gesagt hat, wird er auch zu Ihrem Vorschlag ja sagen.

Argumente umleiten zum Nutzen

„Da kann jemand seine Kräfte nicht richtig einschätzen“ – mit solchen Sätzen wird schon mal von Unternehmensseite die Verantwortung für fehlbelastende Arbeitsbedingungen abgewehrt. Die Verantwortung wird dem einzelnen übertragen: Er muss halt selber auf sich aufpassen. Wenn er krank wird, hat er versagt. Schlimm genug, dass viele Beschäftigte sich diese Einstellung schon selber zueigen gemacht haben. Dass Sie das anders sehen, ist klar.

Aber wenn Sie jetzt an die Decke gehen und heftig artikulieren „Da machen Sie es sich zu einfach! Sie haben doch eine Fürsorgepflicht! Wo bleibt denn da Ihr Verantwortungsgefühl?!“, hätten Sie zwar Recht, aber eine Chance vertan. Denn Ihr Gesprächspartner wird sofort dicht machen ob dieser Vorwürfe. Er wird sich angegriffen fühlen und sich verteidigen wollen – und zwar ebenfalls emotional aufgebracht, aber offiziell pseudo-sachlich. Und schon sind Sie wieder drin in der Argumente-Aufhäufungs-Spirale.

Die nützt Ihnen nichts.

Ja-Straße bauen

Sinnvoller wäre, in einem ersten Schritt das Engagement des Mitarbeiters, der da über Fehlbelastung klagt, zu würdigen und zugleich wieder eine gemeinsame Basis für den Gesprächspartner und sich zu schaffen, etwa so: „Naja, ich denke mal, wir sind uns einig, dass es grundsätzlich erst einmal begrüßenswert ist, dass Herr Schmidtke sich so stark für den Betrieb engagiert (ja!); es gibt ja auch Kollegen, die es anders handhaben (ja!); Herr Schmidtke war ja lange Zeit ein Leistungsträger (ja!). Deshalb ist es jetzt umso bedauerlicher (ja!), dass er gesundheitlich angeschlagen ist. Daher schlage ich vor … (ja! – ups?!).“ Sie bauen also Ihrem Gegenüber eine Ja-Straße, wecken damit Verständnis und schaffen eine Basis für Ihren daraus abgeleiteten Vorschlag.

„Das ist doch Sozialromantik!“ oder „Wir sind doch kein Kuschelverein!“ sind weitere häufig geäußerte Killerphrasen, mit denen Sie unter Umständen konfrontiert werden. Auch hier empfiehlt es sich wieder, das „Argument“ einfach zu ignorieren, statt sich wütend zu erheben („Das hat doch nichts mit Sozialromantik zu tun!“). Bleiben Sie auf dem Boden und weisen Sie darauf hin, wie das Unternehmen von der Arbeitszufriedenheit profitieren kann:

„Naja, ich denke, es ist im Sinne der Produktivität, wenn unsere Leute morgens beim Aufwachen Lust auf ihre Arbeit haben, statt sich hinzuquälen.“

TIPPS FÜR SIE:

  • Vergessen Sie nicht, das Alte wertzuschätzen! Es erleichtert Ihrem Gegenüber, neue Vorschläge überhaupt anzuhören.
  • Rechnen Sie mit Schwierigkeiten! Das schützt Sie vor Enttäuschungen.
  • Diskutieren Sie nicht gegen die Widerstände an! Das ist müßig und kostet Sie bloß Kraft.
  • Bauen Sie Ja-Straßen und schaffen Sie damit die Basis für die Akzeptanz Ihres Vorschlags. Wie im Verkaufsgespräch …

Buch-Cover (im Buch enthalten: Kapitel über Widerstände gegen Gsundheit)
Das Buch “Führung und Gesundheit” beinhaltet auch ein Kapitel über Widerstände gegen Gesundheit

Zum Schluss zeige ich Ihnen hier links noch das Cover des Buchs (kostet 22,90 € in D).

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